Schlechte Karten bei der Grundsteuer

von Redaktion

Im Windschatten der leidenschaftlichen Debatten um Tempolimit, Diesel und mehr verhandelt die Politik ein sperrig klingendes Thema: die Reform der Grundsteuer. Für Mieter und Eigentümer geht es um tausende Euro.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER, GEORG ISMAR & SUSANNE SASSE

Berlin/München – Die Namen klingen drollig. Das „WAM“ und das „WUM“ stehen einander gegenüber, doch wer wird sich durchsetzen? Kritiker sehen hinter beiden Kürzeln allerdings bürokratische Monster. Das „wertabhängige Modell“ und das „wertunabhängige Modell“ sind zwei Konzepte zur Reform der Grundsteuer. Heute beraten die Länder mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), welches Modell sie verfolgen wollen. Für die Betroffenen, und das sind fast alle Bürger, droht finanziell ein Wumms.

Sicher ist: Die Grundsteuer, eine Steuer aufs Eigentum, muss neu geregelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik diesen Auftrag ultimativ bis Jahresende erteilt, weil die Bemessungsgrundlage (die „Einheitswerte“) uralt ist – im Westen aus dem Jahr 1964, im Osten sogar von 1935. Die Steuer ist für die Kommunen sehr wichtig, sie deckt 15 Prozent ihrer Einnahmen, 14 Milliarden Euro im Jahr.

Scholz hat ein Modell vorgeschlagen, das kompliziert ist – und in Bayern für massive Mehrkosten sorgen würde. Sein „WAM“ (eben: „wertabhängig“) sieht vor, 36 Millionen Häuser, Wohngebäude und Grundstücke neu zu bewerten und aus fünf Faktoren eine individuelle Grundsteuer errechnen zu lassen: Nettokaltmiete (notfalls fiktiv), Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und regionaler Bodenrichtwert.

Da drohe ein „Bürokratiemonster“, sagen die Gegner – dazu zählen Bayern, die Unionsfraktion, FDP und Immobilienverbände. „Der Grundstückswert ist hier als Ansatz einfach ungeeignet“, sagt Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU): „Vor allem der Wert des Grund und Bodens ist oft hoch umstritten und führt zu einer dynamisch steigenden Steuerbelastung durch die Hintertür – gerade das wollen wir vermeiden.“

Die Grundsteuer kann auf die Mieten umgelegt werden. In München, wo die Mieten eh drastisch steigen, würde so das Stadtleben noch teurer. Die SPD in Bund und Ländern hat zwar beschlossen, dass die Umlage auf die Miete untersagt werden soll – dafür müsste aber das Mietrecht geändert werden. Außerdem könnten Immobilienbesitzer versuchen, die Grundsteuer dann eben über höhere Kaltmieten weiterzugeben.

Der Eigentümerverband „Haus und Grund“ hat aufwendig bundesweit Beispielfälle recherchiert und legt drastische Zahlen vor. Für ein Einfamilienhaus in Leipzig zum Beispiel könnte die Grundsteuer von 102 Euro auf 1258 Euro (Scholz-Modell „WAM“) oder 656 Euro („WUM“) steigen.

Bayern war bisher eher für „WUM“, also das wertunabhängige Modell. Demnach wird die Steuer überall nur pauschal nach der Fläche berechnet – ob im Villenviertel oder im Bayerischen Wald. Allerdings wird auch hier gestritten, ob das gerecht ist. Ähnlich ist es mit der dritten Option, dem Bodenwertmodell – hier wird der Wert eines Grundstücks für die Steuerhöhe zugrunde gelegt. Wahrscheinlicher ist, dass ein Kompromiss gesucht wird. Mit enormer Bürokratie plant der Bund dabei so oder so. Scholz spricht von 2200 Stellen. Die CSU will nun ein Kompromissmodell entwickeln, das einfacher klappt.

Für die Große Koalition steckt in der Grundsteuer politisch Sprengstoff. Die SPD will sich als Mieterschutzpartei profilieren – der Scholz-Vorschlag würde die Mieten verteuern. Die CSU hatte unter Seehofer das feierliche Versprechen abgegeben, keine Steuer würde erhöht. Das lässt sich mit der Grundsteuer aber so oder so kaum flächendeckend einhalten.

Hinzu kommt: Die Kommunen haben über die Hebesätze einen enormen Hebel in der Hand. Sie können vor Ort einen Satz festlegen, mit dem die Grundsteuer multipliziert wird. Dass die Bürgermeister, die stetig wortreich über klamme Kassen klagen, am Ende freiwillig die Hebesätze senken würden, ist ein eher frommer Wunsch.

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