München – Der Mann mit der Mütze ist die leibhaftige Erinnerung, wie schnell es gehen kann. Nach der CDU-Präsidiumssitzung in Berlin treten am Montag dieser Woche Generalsekretär Paul Ziemiak und Mike Mohring, Ministerpräsidentenkandidat in Thüringen, vor die Presse. Es geht um Kohleausstieg und Feinstaub-Grenzwerte. Politroutine. Als kurz darauf die Videos in den sozialen Netzwerken auftauchen, geht es um eine ganz andere Frage: Warum trägt Mike Mohring eine Mütze? Die Antwort: Wenige Monate vor der Landtagswahl kämpft der 47-Jährige gegen eine Krebserkrankung. Bei einer Routine-Operation im Herbst wurde der Krebs festgestellt, in einem Monat soll die Chemotherapie abgeschlossen sein.
In CDU und CSU ist Krebs gerade ein großes Thema. Nicht nur wegen Mohring. In dieser Woche rief die Bundesregierung mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Krebshilfe eine „Nationale Dekade gegen Krebs“ aus. Und Manfred Weber, Spitzenkandidat für die Europawahl, hat die Krankheit ganz nach oben auf seine politische Agenda gesetzt.
Bei seiner Aufstellung überraschte der 46-Jährige den Parteitag der Europäischen Volkspartei in Helsinki mit persönlichen Bemerkungen über seinen Bruder, der Ende 2013 an Krebs gestorben war. „Ich erinnere mich an die Gespräche mit dem Arzt, wenn man eigentlich nichts mehr hören wollte“, berichtete Weber. „Die ganze Familie, alle Freunde fühlten sich so hilflos.“
Inzwischen will Weber nicht mehr über Privates sprechen, lieber über die politische Agenda. Krebs sei eine der großen Geißeln der Menschheit. 40 Prozent der Europäer erkrankten in ihrem Leben daran. „Wenn ich Kommissionspräsident werde, will ich die Gelder, die Datenbasen und das wissenschaftliche Know-how bündeln“, kündigt er an. Ziel: „In fünf bis zehn Jahren kann dieser Kontinent eine Antwort auf Krebs geben, ihn zumindest stoppen. Das würde zeigen, was Europa zu leisten imstande ist.“
Weber ist wichtig, das nicht als Wahlkampfmanöver misszuverstehen. Ihm ist es ernst. Ein Papier seiner EVP-Fraktion im EU-Parlament von 2018 sieht ein verzehnfachtes Budget für Kinderkrebsforschung vor.
Weber liegt damit ganz auf einer Linie mit Gesundheitsminister Jens Spahn, der immense medizinische Fortschritt sieht. „Es gibt gute Chancen, dass wir in zehn bis 20 Jahren den Krebs besiegt haben“, sagte der CDU-Politiker kurz vor dem Weltkrebstag der „Rheinischen Post“. „Es gibt Fortschritte bei der Krebserkennung, bei der Prävention“, so der Minister.
Allein in Deutschland erkranken jährlich 500 000 Menschen an Krebs, bis 2030 könnten es 600 000 sein. Experten schätzen, dass etwa die Hälfte der Krebsfälle durch einen gesünderen Lebensstil vermieden werden könnte: keine Zigaretten, weniger Alkohol, geringeres Gewicht, besserer UV-Schutz gegen die Sonne. Rund 230 000 Menschen sterben jährlich an Krebs. 90 Prozent der Todesfälle gehen inzwischen nicht auf den Primärtumor, sondern auf Metastasen zurück, die schwierig zu bekämpfen sind.
Der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), Johannes Bruns, reagiert auf Ankündigungen wie die von Spahn zurückhaltend. „Das ist eine sehr heroische Aussage, da muss man vorsichtig sein.“ Es werde sich sicher viel tun in den nächsten zehn bis 20 Jahren, gänzlich besiegt werde Krebs aber wohl nicht sein. Bei zwei Säulen der Krebsbehandlung – Chirurgie und Bestrahlung – tue sich derzeit nicht so viel, anders sehe das im Bereich der Chemotherapien aus. Arzneimittelhersteller und Start-ups investierten derzeit viel Geld in mögliche Mittel gegen Krebs.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz äußert sich dagegen empört über die Aussage des Ministers. „Es ist unverantwortlich, angesichts dieser Entwicklung und dem Leiden so vieler Menschen zu behaupten, es gebe gute Chancen, den Krebs in zehn bis 20 Jahren besiegt zu haben“, sagt Vorstand Eugen Brysch. „Ein Gesundheitsminister sollte nicht für eine Schlagzeile das Vertrauen der Patienten verspielen.“ (mit dpa)