Rom – „Italien gibt auf diese Weise eine peinliche Figur ab.“ So quittiert Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini die sture Weigerung des Koalitionspartners Movimento 5 Stelle, die gemeinsame EU-Linie gegenüber Venezuela mitzutragen und Oppositionsführer Juan Guaidó als Interims-Präsidenten des südamerikanischen Landes anzuerkennen.
Italien steht damit ziemlich isoliert unter den europäischen Partnern da; alle anderen großen Länder des Westens haben dem Maduro-Regime spätestens seit Sonntag die diplomatische Anerkennung entzogen und setzen auf einen demokratischen Neuanfang unter dem jungen Präsidenten der Nationalversammlung. In Italiens Medien und Öffentlichkeit herrscht Kopfschütteln. „Es ist eine Schande, dass Italien nicht klar auf der Seite der Freiheit steht“, kommentierte etwa die angesehene Tageszeitung „La Repubblica“. Ähnlich äußern sich Vertreter der Opposition über Parteigrenzen hinweg, darunter Ex-Premier Renzi und EU-Parlamentspräsident Tajani.
Das eigenartige Zögern der Regierung unter Premier Giuseppe Conte hat nun Staatspräsident Mattarella auf den Plan gerufen, der diplomatischen Schaden für sein Land befürchtet. „Wir brauchen jetzt eine klare gemeinsame Linie mit unseren Alliierten und Partnern. Es darf hier keinerlei Zweideutigkeit geben. In Venezuela haben wir die Wahl zwischen der Sehnsucht des Volkes nach echter Demokratie einerseits und der nackten Gewalt der Staatsmacht andererseits“, stellte er in einer Rede klar. Aus seiner Umgebung verlautet, der Präsident habe wenig Verständnis für die neutrale Position, die sich die Regierung auf die Fahnen schreibe. Die forderte in einer Note zwar die Einleitung eines demokratischen Prozesses und eine freie Präsidentenwahl, vermied aber demonstrativ jegliche Anerkennung von Interims-Präsident Guaidó.
Über die Motive wird gerätselt. Aufschluss gab jedoch das Interview eines alten Rivalen von Sterne-Chef Luigi di Maio. Grillini-Fundi Alessandro di Battista forderte darin, es müsse „endlich Schluss damit sein, daß sich Italien den Anweisungen aus Washington unterwirft“. Solche anti-amerikanischen Reflexe sind innerhalb des Movimento 5 Stelle weitverbreitet. Regime wie in Kuba und Venezuela, die offen die USA herausfordern, genießen bei vielen ihrer Anhänger Artenschutz.
Die rechte Lega hingegen betrachtet Maduro als einen der letzten Links-Diktatoren der Welt, dessen Uhr abgelaufen sei. Der Grad der öffentlichen Erregung zum Thema Venezuela hat jedoch nicht nur politische Gründe: Der südamerikanische Staat war seit jeher eines der großen Ziele italienischer Auswanderer; sie stellen heute die größte Ausländergruppe im Land; rund ein Drittel der Venezolaner hat gar italienische Wurzeln. Viele Italiener sind daher aus erster Hand durch Verwandte oder Freunde über die dramatische humanitäre Lage informiert.
Für die kriselnde Koalition in Rom bedeutet das diplomatische Tauziehen weiteren Konfliktstoff. Sogar das Ende des Bündnisses wird inzwischen nicht mehr ausgeschlossen. INGO-MICHAEL FETH