Machtkampf in der SPD

Alles zuzutrauen

von Redaktion

GEORG ANASTASIADIS

Je weniger die Wähler der SPD zutrauen, desto mehr trauen die Genossen sich selbst zu: Andrea Nahles traut sich, wie sie gestern im Interview verriet, die Kanzlerkandidatur zu, Olaf Scholz schläft seit Jahren bei offenem Fenster, um den Ruf nicht zu überhören, Sigmar Gabriel will den Parteivorsitz zurück und Martin Schulz sein Comeback.

Und immer mehr Bürger beschleicht das Gefühl, dass der Partei in ihrem derzeitigen Zustand wirklich alles zuzutrauen ist. Für die Steuerzahler jedenfalls könnte der in der SPD entbrannte Wahlkampf um die Macht teuer werden: Ein Bürgergeld, also Hartz IV unter weitgehendem Verzicht auf Sanktionen, fordert Frau Nahles, eine 5 Milliarden Euro teure Respekt-Rente der Arbeitsminister und höhere Steuern der Finanzminister. Das alles zielt weniger auf die Gunst der Bürger als auf die des Juso-Chefs Kevin Kühnert, dem in der heillos verfeindeten SPD die Rolle des Königsmachers zufällt.

Man muss schon genau hinschauen, um im Sammelsurium der sozialpolitischen SPD-Forderungen Elemente zu entdecken, die auch für Wähler der politischen Mitte attraktiv sind. Dazu gehört eine Grundrente für langjährige Beitragszahler, sofern sie sich auf die wirklich Bedürftigen beschränkt und damit finanzierbar bleibt. Und dazu gehört auch eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere langjährige Beschäftigte, die nach geltendem Recht im Falle des Jobverlusts schon nach kurzer Zeit in die Grundsicherung fallen und so behandelt werden wie Hartz-IV-Bezieher, die nie in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Eine solche SPD, die sich zum Anwalt der fleißigen Arbeitnehmer macht, bräuchte das Land. Für alle anderen gibt’s die Linkspartei.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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