Noch mehr Streit um Gas aus Russland

von Redaktion

Die USA kämpfen mit allen diplomatischen Mitteln gegen den Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Nun stellt sich auch Frankreich gegen Deutschland und das umstrittene Projekt. In Brüssel will es für eine Überarbeitung der EU-Gasrichtlinie stimmen.

VON MAREK MAJEWSKY

Berlin – Es geht um Milliarden Euro, tausende Kilometer Rohre und großen politischen Einfluss: Seit Jahren wird über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 gestritten. Es gibt zwar bereits eine Leitung namens Nord Stream 1, doch künftig sollen jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas zusätzlich von Russland nach Deutschland transportiert werden. Kritiker befürchten Abhängigkeit von Russland. Befürworter betonen dagegen die Notwendigkeit einer sicheren Energieversorgung Europas, denn die Gasförderung auf dem Kontinent werde sich verringern. Mittel- und langfristig werde das russische Gas im Vergleich zu Flüssigerdgas „erhebliche Preisvorteile“ für Verbraucher bieten. Ein Überblick:

Wie weit ist der Bau von Nord Stream 2?

Rund ein Viertel der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist nach Angaben des österreichischen Energiekonzerns und Investors OMV bereits fertig. Etwa 600 der insgesamt 2400 Kilometer Rohre seien zwischen Russland und Deutschland verlegt, erklärte OMV-Chef Rainer Seele am Mittwoch in Wien. Die Arbeiten sollen Ende des Jahres fertig sein. Die Genehmigungen der vier Ostsee-Anrainer Russland, Finnland, Schweden und Deutschland sind da, nur Dänemark fehlt noch. Nord Stream 2 beantragte deshalb vorsichtshalber eine Alternativroute, die ohne Zustimmung der Dänen genutzt werden kann.

Wie würde eine Änderung der EU-Richtlinie das Projekt beeinflussen?

Die geplante Änderung einer EU-Gasrichtlinie würde es der EU-Kommission ermöglichen, dem Projekt Nord Stream 2 neue Bedingungen aufzuerlegen. Dazu gehört die unternehmerische Trennung von Gaslieferung und Netzbetrieb. Beides liegt zurzeit in der Hand des russischen Energiekonzerns Gazprom. Ein Erfolg der Regulierungspläne galt bisher als unwahrscheinlich. Nun schlägt sich Frankreich auf die Seite der Befürworter – das ändert die Mehrheitsverhältnisse.

Für die hinter dem Gas-Projekt stehende Bundesregierung und die Bauherren wäre dies ein schwerer Schlag. Die Abstimmung über die Änderung der Gasrichtlinie war für heute geplant. Aus Paris hieß es jedoch, dass noch Verhandlungen über eine mögliche Änderung des Textes liefen.

Warum stellt sich Frankreich gegen Deutschland?

Als eine mögliche Erklärung gilt der zuletzt noch mal gestiegene Druck der USA. Washington zog neue Russland-Sanktionen in Erwägung, die auch den französischen Ölkonzern Total treffen könnten. Die USA könnten Frankreich mit solchen Gedankenspielen zumindest indirekt erpresst haben. Paris würde mit der Ablehnung der Pipeline einen schweren Streit mit Berlin in Kauf nehmen.

Macht sich Deutschland von russischem Gas abhängig?

Viele EU-Länder treibt diese Sorge um, auch aus Washington kommt Widerstand. Kritiker weisen aber darauf hin, dass die USA gerne selbst mehr Flüssiggas verkaufen würden. 2017 lag der Anteil russischen Gases am deutschen Erdgasimport laut der deutschen Energiewirtschaft bei rund 40 Prozent, bei Rohöl waren es 37 Prozent. Das Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass Rohöl aus 23 Ländern eingeführt werde. Gas importiert Deutschland aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Allerdings dürfte Russland seine Stellung als wichtigster Energielieferant Deutschlands durch die neue Pipeline ausbauen.

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betont, dass man russisches Gas zur Überbrückung im Kampf gegen den Klimawandel brauche. Deutschland will bis 2022 aus der Kernenergie und bis 2038 schrittweise aus dem Kohlestrom aussteigen.

Wie wichtig ist das Projekt für Russland?

Für Russland ist Deutschland als weltweit größter Brutto-Importeur von Gas ein wichtiger Handelspartner. Rund 125 Milliarden Kubikmeter werden laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe jährlich importiert. Russlands mächtiger Gas-Monopolist Gazprom hat eigenen Angaben zufolge rund 194 Milliarden Kubikmeter an Staaten vor allem in der EU verkauft – mehr als 40 Prozent seiner Förderung 2017. Davon allein ein Viertel nach Deutschland.

In Nord Stream 2 investiert auch Russland kräftig: insgesamt rund 10 Milliarden Euro. US-Gesetze machen jedoch Sanktionen gegen Nord Stream 2 und alle beteiligten Partner möglich. Ob deutsche Firmen betroffen wären, ist unklar: Der Kreml betont, man könne die Ostseepipeline im Falle von US-Sanktionen gegen europäische Partner auch allein finanzieren.

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