Spanien vor der Zerreißprobe

von Redaktion

Erst der Prozess gegen zwölf katalanische Politiker, dann eine wichtige Abstimmung im Parlament. Spaniens Ministerpräsident Sánchez steht unter Druck, womöglich scheitert seine Regierung. Die rechte Opposition steht bereit.

VON MARCUS MÄCKLER

München – Es war eine denkwürdige Allianz, die sich am Sonntag in Madrid zusammenfand. Da waren die Chefs der konservativen PP, Pablo Casado, und der rechtsliberalen Ciudadanos, Albert Rivera. Und da war Santiago Abascal, ein Mann, der äußerlich an Italiens Innenminister Matteo Salvini erinnert und ganz ähnlich tickt: Er ist Vorsitzender der rechtsextremen Partei Vox und nimmt gerne Worte wie „Feind“ oder „Verrat“ in den Mund. In Madrid sagte er, die „verlogene Regierung“ paktiere mit den „Feinden Spaniens“ – und Zehntausende jubelten ihm zu.

Glaubt man aktuellen Umfragen, dann hätten die drei Parteien im Falle von Neuwahlen eine Mehrheit. Auf Deutschland übertragen wäre das, als würden Union, FDP und AfD koalieren. In Spanien scheinen sie dazu bereit und Neuwahlen sind nicht ganz unrealistisch. Denn die sozialistische Minderheitsregierung von Pedro Sánchez (PSOE) steht unter enormem Druck. Womöglich entscheidet sich schon in diesen Tagen ihre Zukunft.

Die Situation, in der Sánchez steckt, ist besonders kniffelig. Gestern startete der Prozess gegen zwölf führende Köpfer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, jene Personen, die Vox-Chef Abascal „Feinde Spaniens“ nannte. Den Angeklagten um Kataloniens früheren Vize-Regionalpräsidenten Oriol Junqueras drohen lange Haftstrafen (siehe Kasten). Dummerweise ist Sánchez’ Regierung – im Parlament hat sie nur 84 von 350 Sitzen – ausgerechnet auf die Stimmen der Separatisten-Parteien angewiesen.

Das könnte schon heute Folgen haben. Denn im Nationalparlament steht die wichtige Abstimmung über den Haushaltsplan der Regierung an. Durchaus denkbar, dass die Separatisten mit der Opposition, das heißt: gegen den Haushalt stimmen. Vorgezogene Neuwahlen wären dann im Grunde unumgänglich. Sánchez selbst brachte den 14. April als möglichen Termin ins Spiel.

Gerade die Rechtsaußen-Partei Vox würde profitieren. Bisher sitzt sie gar nicht im Parlament, bei Neuwahlen könnte sie mit bis zu 13 Prozent rechnen. Vor wenigen Wochen erst zog sie ins andalusische Regionalparlament ein. Zwar ist sie nicht an der Regierung beteiligt. Allerdings ließ sich der PP-Spitzenkandidat Juan Manuel Moreno mit Vox-Stimmen zum neuen Regionalpräsidenten wählen. Vorher regierte 36 Jahre lang Sánchez Sozialistische Arbeiterpartei PSOE.

Vox machte in Andalusien vor allem mit zwei Themen Wahlkampf: mit Migration – und mit dem Konflikt in Katalonien. Nun versuchen die Populisten, auch auf nationaler Ebene mit Anti-Separatisten-Rhetorik zu punkten. Dass das offenbar gelingt, liegt auch an Regierungschef Pedro Sánchez.

Denn anders als sein Vorgänger Mariano Rajoy (PP), unter dessen Regierung der Katalonien-Konflikt eskalierte, sucht er das Gespräch mit der Regionalregierung in Barcelona – und kommt ihr in Minischritten entgegen. Im neuen Haushalt etwa sollen die Investitionen in die Region steigen, von bisher 13 auf 18 Prozent. Den Separatisten ist das nicht genug. Sie bleiben beim Fernziel: Unabhängigkeit.

Vox hat einen Weg gefunden, die Situation maximal auszuschlachten: Beim Prozess gegen die zwölf Katalanen in Madrid tritt die Partei als „Popularkläger“ auf. Als solcher hat sie neben dem Staatsanwalt volle Akteneinsicht, kann sich in die Ermittlungen einschalten und Zeugen befragen. Der Prozess wird landesweit im Fernsehen übertragen – im Grunde die perfekte Bühne.

Die Zeitung „El País“ brachte die Lage auf den Punkt: „Nie zuvor waren die politische Zukunft Spaniens, der innere Zusammenhalt des Landes und dessen internationales Ansehen so sehr von einem Gerichtsverfahren abhängig.“ Urteile werden nicht vor Juli erwartet. Fallen sie mild aus, gehen Konservative und Rechte auf die Barrikaden, anderenfalls dürften die Separatisten ihren Frust ablassen. Aber womöglich wird Sánchez dann schon nicht mehr im Amt sein.  mit dpa/afp

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