München – Französisch ist eine wunderschöne Sprache, daran ändert auch ein saarländischer Akzent nichts. Annegret Kramp-Karrenbauer hätte sich wohl eh nicht davon abbringen lassen, ihrer Vorrednerin ein „Merci, Christine“ zuzurufen. Es ist ja nicht nur eine nette Geste, sondern auch ein Zeichen: Seht mal, ich kann auch international.
Die CDU-Vorsitzende und die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, treffen am Vorabend der Münchner Sicherheitskonferenz aufeinander, im schicken Hotel Vier Jahreszeiten, als Hauptrednerinnen der Europa Konferenz. Beide sprechen, genau: über Europa. Für Lagarde ist das Routine, für Kramp-Karrenbauer noch ein sehr weites Feld.
So sehr sich die CDU-Chefin seit ihrem Amtsantritt ein innenpolitisches Profil erarbeitet – außenpolitisch ist sie unbeleckt. Manche stricken ihr und der Partei daraus einen Vorwurf. Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe unkte kürzlich, ihn bedrücke die „Provinzialität“ seiner CDU, das Fehlen profilierter Leute in Außen- und Sicherheitspolitik. Die neue Chefin schloss er ausdrücklich ein und sagte sehr direkt, dass er ihr bei diesen Themen wenig zutraue.
Er dürfte nicht der Einzige sein. Für die Saarländerin ist ihre außenpolitische Unerfahrenheit ein Problem; immerhin ist sie Kanzler-Kandidatin in spe und also mögliche Nachfolgerin Angela Merkels, die seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten als Führerin der freien Welt gilt. Merkel ist Weltpolitik, Kramp-Karrenbauer ist Püttlingen. Für alle, die es nicht wissen: Hier war sie lange Jahre Stadträtin.
Die 56-Jährige findet nichts Anrüchiges an der Provinz, im Gegenteil. Wenn es geht, fährt sie an den Wochenenden heim ins Saarland, um „sich zu erden“. Außerdem tritt sie seit Jahren im Fasching auf, als Putzfrau Gretel, die über den Politikbetrieb auspackt. Das schafft Nähe – und kommt bei den Leuten immer gut an.
Die Art und Weise, wie manchmal über das Land gesprochen wird, „trieft vor Arroganz“, sagt sie am Freitag im Münchner Presseclub. Es ist einer der Termine am Rande der ziemlich geschäftigen Sicherheitskonferenz, bei der auch AKK sich sehen lässt. Sie will sich vernetzen, Gespräche führen.
Bei aller Liebe zu Land und Leuten: Kramp-Karrenbauer weiß, dass ihre außenpolitische Unerfahrenheit ein Manko ist. Aber sie arbeitet daran. „Es ist selbstverständlich, dass sich eine CDU-Vorsitzende in außenpolitische Themen einarbeitet“, sagt sie. Und wer genau hinsieht, merkt, dass sie langsam ihr Profil schärft.
Zuletzt reiste sie etwa zum Weltwirtschaftsforum in den Schweizer Skiort Davos und nach Brüssel. Bei ihrer Rede in München am Donnerstagabend forderte sie dann einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen und brachte eine gemeinsame Verteidigungspolitik ins Spiel. Gut, das war nicht gerade überraschend, aber immerhin ein Standpunkt. Zuletzt sendete sie ein paar klare Worte nach Washington. Dass die USA im Streit um die Gas-Pipeline Nord Stream 2 mit Sanktionen drohten, sei „nicht der beste Umgang zwischen Freunden und Partnern“.
Kramp-Karrenbauer wird am Samstag wieder heim ins Saarland fahren, also an jenem Tag, an dem Angela Merkel bei der Sicherheitskonferenz spricht. Noch gehört der Kanzlerin die große Bühne, aber AKK arbeitet daran, aufzuholen. Der Weg ist weit: Der „Economist“ nannte Merkel mal „unentbehrlich“. Bis er über AKK ähnlich urteilt, dürfte es noch ein Weilchen dauern. MARCUS MÄCKLER