Selbsthilfegruppe der Transatlantiker

von Redaktion

Die internationale Politik befindet sich in Aufruhr, das westliche Bündnis bröckelt. Die Sicherheitskonferenz will ein wenig zur Ordnung beitragen. Dazu muss offenbar vieles ausgesprochen werden, was viele Jahre als völlig selbstverständlich galt.

VON MIKE SCHIER

München – Die Idee war ziemlich gut: Mitten in der Brexit-Debatte und zur Halbzeit der Amtszeit von Donald Trump wollte die Sicherheitskonferenz ein klares Zeichen setzen: Angela Merkel und Emmanuel Macron sollten das Treffen eröffnen – um vielleicht ein paar Pflöcke für einen gemeinsamen Führungsanspruch in Europa und der Nato einzuschlagen. Doch Macron sagte seine Teilnahme ab und fiel kurz darauf der Kanzlerin in der Debatte um die Gaspipeline Nord Stream in den Rücken.

Statt Aufbruch in etwas Neues gibt es am Freitag also schnöde Schadensbegrenzung. Merkel spricht nun erst am Samstag. Stattdessen wird die Konferenz von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihrem britischen Kollegen Gavin Williamson eröffnet. Auch das ist ein Statement – allerdings kein besonders hoffnungsvolle. „Das Vereinte Königreich verlässt die Europäische Union“, sagt Williamson, „aber unser Einsatz für gemeinsame Sicherheit steht felsenfest.“ Eindringlich schildert er die Gefahr, die Russland für den Westen darstelle und folgert: „Die Nato ist wichtiger denn je.“ Immerhin.

Dieser erste Tag zeigt, wie sehr sich die außenpolitische Debatte durch Donald Trump, den Brexit, aber auch die Wahlerfolge von Rechtspopulisten in der EU verändert hat. Am Freitag werden in München vor allem Dinge ausgesprochen, die jahrelang als selbstverständlich galten. Tenor: Der Westen müsse zusammenhalten.

Dazu passt auch: Während Donald Trump in Washington den nationalen Notstand ausruft, nimmt in München die größte US-Delegation aller Zeiten Platz. Tochter Ivanka ist da, Vizepräsident Mike Pence landet am Abend. Die Demokraten laufen in Mannschaftsstärke ein – mit dem ehemaligen Vize und möglichen Trump-Herausforderer Joe Biden, Trumps Gegenspielerin im Kongress Nancy Pelosi und Ex-Außenminister John Kerry. Also wollten sie den verunsicherten Partnern beweisen, dass das andere Amerika noch lebt. „Füreinander einzustehen, liegt in unserem gemeinsamen Interesse“, sagt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg – und verweist auf den Aufstieg Chinas. „Wir müssen den Umfang und das Ausmaß des chinesischen Einflusses besser verstehen“, warnt er.

Die Chinesen und Russen sind natürlich auch in München. Sie dürfen die Selbsthilfegruppe des Westens aus nächster Nähe begutachten. Im Vorfeld hatte Gastgeber Wolfgang Ischinger eindringliche Worte gefunden. „Who will pick up the pieces“ – wer hebt all die Teile wieder auf, in die die internationale Ordnung zersplittert ist, hat er gefragt. Ähnlich äußert er sich in seinem Eingangsstatement: „Es ist nicht genug, sich zurückzulehnen und nur darauf zu hoffen, dass uns das Schlimmste erspart bleibt.“

Antworten bleibt die Sicherheitskonferenz am ersten Tag schuldig. Vielleicht wird man ja am Samstag ein wenig schlauer. Um 10 Uhr spricht Angela Merkel. Ohne Macron. Dafür antwortet kurz darauf Trumps Vize Pence. Spätestens dann dürfte es mit eindringlich-nostalgischen Beschwörungsformeln an das transatlantische Bündnis vorbei sein.

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