Kündigung von Arzt nach Wiederheirat unwirksam

von Redaktion

Urteil erlaubt keine unterschiedlichen Anforderungen aufgrund von Religionszugehörigkeiten

Erfurt – Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechte der Kirchen als Arbeitgeber weiter eingeschränkt. Die Richter erklärten am Mittwoch die Kündigung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf wegen dessen Scheidung und Wiederheirat für nicht rechtmäßig. Dem Chefarzt war 2009 fristlos gekündigt worden, weil die Kirche in seiner zweiten standesamtlichen Hochzeit einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß sah. Laut Urteil wurde der Mediziner damit gegenüber nicht katholischen Kollegen unzulässig benachteiligt, bei denen eine Wiederheirat kein Kündigungsgrund wäre.

Mit seinem Urteil rüttelt das Gericht unter Verweis auf europäisches Recht am Sonderstatus von Kirchen als Arbeitgeber. Für diese ist im Grundgesetz ein Selbstbestimmungsrecht verankert. Das wirkt sich auch auf ihre Position als Arbeitgeber aus. So dürfen sie von ihren Mitarbeitern ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen.

Dem Urteil zufolge können Kirchen aber an Angestellte keine unterschiedlichen Anforderungen aufgrund von Religionszugehörigkeiten stellen. Ausnahmen sind möglich, wenn sich diese Erwartungen als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderungen darstellen.

Das katholische Krankenhaus hatte dem katholischen Chefarzt fristlos gekündigt, nachdem sich der Mann hatte scheiden lassen und zum zweiten Mal standesamtlich geheiratet hatte. In der standesamtlichen Hochzeit sah der Arbeitgeber einen Verstoß gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre und damit gegen Loyalitätspflichten des Dienstvertrags.

Der Chefarzt sah in der Kündigung hingegen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn nach der 1993 vom Kölner Erzbischof erlassenen Grundordnung seines Dienstvertrags wäre eine solche zweite Heirat kein Kündigungsgrund für nicht-katholische Chefärzte der Klinik. Das Kölner Bistum kündigte bereits an, das Urteil und mögliche Konsequenzen intensiv prüfen zu wollen.

Der Streit geht seit gut zehn Jahren durch die Instanzen: darunter Arbeitsgerichte in Nordrhein-Westfalen, das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das Bundesarbeitsgericht musste sich nun zum dritten Mal mit dem Fall beschäftigen.

Das Urteil sei überfällig und wegweisend, sagte Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand. „Es schafft mehr Gerechtigkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kirchlichen Betrieben.“ Einem Mitarbeiter zu kündigen, weil dieser ein zweites Mal geheiratet hat, finde heute auch in der Gesellschaft keine Akzeptanz mehr.

Die katholische Caritas betonte, dass die Grundordnung des kirchlichen Arbeitsdienstes 2015 erheblich geändert worden sei. „Damit wurde ein differenzierter Umgang mit der Lebenswirklichkeit vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich“, betonte Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes.  dpa

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