Berlin/Brüssel/Washington – Mancher Satz zeugt von schockierender Naivität. Hinrichtungen? Ja, die habe es im Kalifat gegeben, sagt die 19-jährige Shamima Begum in einem Interview. „Aber das war in Ordnung für mich“, der Islam habe das erlaubt.
Begum war 15 Jahre alt, als sie sich dem IS in Syrien anschloss. Jetzt, da die Organisation militärisch am Ende ist, will sie zurück zu ihrer Familie nach Großbritannien. London hat ihr inzwischen die Staatsbürgerschaft entzogen. „Ich bin ein bisschen schockiert“, sagt Begum dazu. Jetzt wolle sie es in den Niederlanden versuchen. Ihr Mann, ein IS-Kämpfer, ist dort Staatsbürger.
Wohin mit den selbst ernannten Gotteskriegern und ihren Familien? Seit US-Präsident Donald Trump Europa aufgefordert hat, die in Nordsyrien inhaftierten Kämpfer zurückzunehmen, hadern Deutschland und andere Staaten mit sich. Selbst Großbritannien, das aktuell durchgreift, hat Bedenken: Justizminister David Gauke sagte, rein rechtlich dürfe man niemanden staatenlos machen.
Niederlande: Die Regierung ist gespalten. Außenminister Stef Blok lehnt die Rückkehr der etwa 40 in Syrien gefangenen niederländischen Dschihadisten (plus Frauen und Kinder) ab. Der Koalitionspartner D66 ist für eine koordinierte Heimkehr und eine europäische Lösung. Dschihadisten mit doppelter Staatsangehörigkeit kann die niederländische entzogen werden.
Dänemark: Regierung und Opposition lehnen Trumps Forderung ab. „Es handelt sich um einige der gefährlichsten Menschen der Welt“, sagte der außenpolitische Sprecher von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen. Es werde geprüft, on man den Kämpfern die Staatsbürgerschaft in Abwesenheit entziehen kann.
Frankreich: Ganz anders Paris. Im Januar hatte die Regierung angekündigt, 130 IS-Anhänger zurückholen zu wollen. Man dürfe die kurdischen Kräfte, die die Dschihadisten gefangenhalten, nach dem Abzug der USA aus Syrien nicht alleine lassen, warnte Verteidigungsministerin Florence Parly. Der Westen verdanke den Kurden sehr viel.
Österreich: Man sei „sehr zurückhaltend“, sagte Kanzler Sebastian Kurz. Der Schutz der Bevölkerung gehe vor. Rein rechtlich ist Österreich verpflichtet, seine Staatsbürger zurückzunehmen. Sobald jemand aber ins Militär eines fremden Landes eintritt, verliert er die Staatsbürgerschaft. Kleiner Haken: Laut Gesetz darf dadurch niemand staatenlos werden.
Belgien: Interims-Premierminister Charles Michel ist für „gerichtliche Entscheidungen in der Region“, wie er der Nachrichtenagentur Belga sagte. Zudem wolle er eine Form der internationalen Justiz. Wie genau das aussehen könnte, sagte er nicht. Aber er sprach sich für ein gemeinsames europäisches oder internationales Vorgehen aus.
Balkan: Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und Kosovo führten ab 2015 strenge Gesetze gegen Menschen ein, die sich Organisationen wie Al-Nusra oder IS angeschlossen haben. Rückkehrer werden meist zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Zum Westen gibt es einen großen Unterschied: Die IS-Kämpfer stammen aus ansässigen muslimischen Bevölkerungen. Daher wird über den Entzug der Staatsbürgerschaft nicht debattiert.
Schweden: Das Land hat keine Pläne, IS-Kämpfer zurückzuholen. Außenministerin Margot Wallström sagte am Montag, man habe seit 2011 vor Reisen nach Syrien gewarnt. „Sollte man trotzdem dorthin reisen, kann man nicht auf konsularische Unterstützung zählen.“ Es gebe aber „einen Unterschied zwischen denen, die gekämpft haben, und beispielsweise ihren Kindern“. dpa