München – Es ist nun rund ein Jahr her, da war in den Kommentarspalten vieler Zeitungen zu lesen, die Kanzlerin habe ihren neuen Gesundheitsminister nur ernannt, um ihn auf diese Weise den Haien zum Fraß vorzuwerfen. Das klang damals ganz plausibel. Denn das Amt, mit dem Angela Merkel (CDU) ihren parteiinternen Kritiker Jens Spahn betraute, gilt traditionell nicht gerade als Karrieresprungbrett. Jedenfalls war es das nicht für Spahns Vorgänger Hermann Gröhe (CDU), Daniel Bahr (FDP), Philipp Rösler (FDP) und Ulla Schmidt (SPD).
Schnell sollte sich allerdings herausstellen, dass dieser Jens Spahn nicht so recht zum Fischfutter taugt. Vielmehr scheint es, als habe Merkel mit ihm stattdessen einen besonders hungrigen Hai in den Gesundheitsteich gesetzt. Denn der junge Minister (38) hat in seinem ersten Jahr bereits mehr dicke Fische vor den Kopf gestoßen, als es andere in einer gesamten Amtszeit wagten.
Den heftigsten Streit trägt er seit vielen Monaten mit den Ärzten aus. Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz will der Minister niedergelassene Kassenärzte unter anderem dazu verpflichten, ihre Sprechstundenzeiten zu erhöhen – von 20 auf mindestens 25 Stunden wöchentlich. Für die Mediziner ist das ein Eingriff in ihre Selbstbestimmung. Sie laufen Sturm. „Ich fände es gut, wenn man sich morgen auf das verlassen könnte, was er heute sagt“, bilanzierte zuletzt Wolfgang Krombholz, der Chef der Bayerischen Kassenärzte, einigermaßen bitter Spahns bisherige Amtszeit.
Doch den Minister scheint solcherlei Protest wenig zu beeindrucken. Er regiert mit hohem Tempo und harter Hand – und das auf allen Feldern. Spahn diktiert den Kliniken wie viele Pflegekräfte sie einsetzen müssen. Er verpflichtet die Kassen, neue Pflegestellen zu bezahlen und Gehaltserhöhungen zu refinanzieren. Obendrein sollen sie durch Beitragssenkungen ihre Rücklagen abbauen. Er droht den Apothekern und lockt sie gleichzeitig mit neuen Verdienstmöglichkeiten. Der Selbstverwaltung macht er klar: Wenn sie bei der Digitalisierung weiter trödelt, reißt das Ministerium das Ruder an sich. Immer wieder zeigt sich: Wer nicht will wie er, den zwingt der Minister einfach. Die Branche hat ihm bereits den Spitznamen „Bulldozer“ verpasst.
Es gilt als offenes Geheimnis, dass Spahn politisch noch höher hinaus will. Auch seine Niederlage im Kampf um den CDU-Vorsitz im Dezember dürfte seine Ambitionen in dieser Hinsicht kaum geschmälert haben. Sie war dafür zu erwartbar und keinesfalls vernichtend. Wohl auch deshalb achtet er – im Kontrast zu seinem harten Auftreten gegenüber Funktionären und Lobbyisten – als Minister auf ein möglichst freundliches Bild in der Öffentlichkeit. Die „Frankfurter Allgemeine“ attestiert ihm gar eine regelrechte Wandlung vom überzeugten Marktliberalen zum mitfühlenden Konservativen.
„Bekannt bin ich jetzt, beliebt muss ich noch werden“, soll Spahn zuletzt einmal gesagt haben. Wenn er, wie kürzlich, den angeblich bevorstehenden Sieg über den Krebs ankündigt, sieht es aus, als arbeite er gerade genau daran. Man müsse sich hohe Ziele setzen, sagt Spahn. Seine Kritiker werfen ihm hingegen Populismus vor. Nicht nur in diesem Fall. Der einstige Wirtschaftsweise Bert Rürup kritisiert, der Minister befasse sich vor allem mit publikumswirksamen Randthemen, statt endlich die wirklich schwierigen Aufgaben wie die Krankenhausfinanzierung anzupacken.
Doch genau darin liegt Spahns großes Problem: Er weiß nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt, um sich als erfolgreicher Gesundheitsminister in die Geschichtsbücher einzutragen. Denn die wackelige Koalition mit der SPD droht 2019 zu kippen. Spätestens im Herbst kommt es wohl zum Showdown. Ob er Ende des Jahres noch Minister ist, ist deshalb völlig unklar.
Wer nicht will wie er, den zwingt der Minister einfach