Washington – Wenn es morgen in Hanoi zum zweiten „Gipfel“ von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un und Donald Trump kommt, so ist dies für Kim – nach dem Treffen in Singapur im letzten Jahr – erneut ein willkommener Fototermin, der ihn zweifelsohne aufwerten wird. Viel mehr zu verlieren hat jedoch der US-Präsident. Schon nach Singapur formulierten Kritiker auch in den USA, Trump habe von dem mit heißer Nadel gestrickten Gipfel unterm Strich nicht viel gewonnen. Zwar gab es einen Stopp der nordkoreanischen Atom- und Raketentests. Doch die Zerstörung von Testanlagen, die Experten zufolge Kim ohnehin nicht mehr benötigte, hatte nicht viel mehr als Show-Charakter. Trump scheint allerdings auch dem Despoten nicht viel geboten zu haben, um tatsächlich ernsthafte Abrüstungsschritte einzuleiten.
Und nun zwei Tage lang die Vietnam-Gespräche. Was ist von ihnen realistisch zu erwarten? Der amerikanische Autor und Militärhistoriker Max Boot legt die Messlatte extrem niedrig. Nordkorea habe bisher nicht geliefert, und Trump sei verzweifelt, so Boot. Deshalb werde es jede Menge diplomatische Kosmetik geben – wie möglicherweise eine Friedenserklärung oder Sanktionserleichterungen vom Weißen Haus. Aber Kim, da ist sich der Experte sicher, werde niemals seine Nuklearwaffen aufgeben, die er weiter als Überlebensversicherung brauche. Und deshalb geht auch, so sehen es jedenfalls US-Geheimdienste, trotz des ersten Schnupper-Gipfels der Bau von Atomwaffen weiter.
Klare Worte fand am Wochenende US-Außenminister Mike Pompeo: Nordkorea stelle weiter eine nukleare Bedrohung dar, so Pompeo. Und Nordkorea wisse, dass es ein Außenseiter bleiben werde, solange es Atomwaffen besitzt. Doch Donald Trump gab zuletzt andere Signale als sein Kabinettsmitglied, die gar nicht für eine Isolation sprechen – wie sein ständiges Lob für den Despoten Kim, der bisher der eigentliche Gewinner der Annäherung zu sein scheint. Und der US-Präsident kommt ihm auch weiter entgegen und sagt, er habe „keine Eile“, eine Denuklearisierung Nordkoreas zu sehen. Gleichzeitig schraubt man allerdings auch – so widersprüchlich dies zu sein scheint – die Erwartungen in der US-Regierung höher, als Trumps Ausführungen erwarten lassen. So heißt es im Umfeld Trumps: Das Ziel des Hanoi-Gipfels sei, Kim dazu zu bringen, die wichtigste nukleare Forschungs- und Produktionsstätte des Landes verifizierbar zu schließen. Das würde zwar ein Erfolg unterhalb der angestrebten vollen Denuklearisierung sein. Doch trotzdem könnte dies etwas bedeuten, das der US-Präsident als wichtigen Fortschritt feiern könnte.
Ob Kim allerdings in diesem zentralen Punkt einlenken wird, ist völlig unklar. Und: Bisher gibt es keine verbindliche Festlegung beider Staaten, was denn eigentlich Abrüstung in der Praxis bedeutet. Klar scheint jedenfalls, dass es keine ernsthaften Zugeständnisse aus Pjöngjang geben wird, solange Trump keine Sicherheitsgarantien für Kim auf den Tisch legt und eine Truppenreduzierung auf der koreanischen Halbinsel beginnt. Ob es dafür überhaupt eine Hoffnung gibt, dürfte die Abschlusserklärung von Hanoi zeigen, in der bisherige, schwammig formulierte Zielsetzungen von Singapur mit Fakten ergänzt werden sollen. Das gilt für den Begriff „Denuklearisierung“ ebenso wie für die kritische Frage einer US-Truppenreduzierung oder die Verbesserung der Beziehungen zwischen den einstigen Erzfeinden.