„Harte Diplomatie statt Showpolitik“

von Redaktion

Nach den gescheiterten Hilfstransporten ist die Zukunft Venezuelas weiter offen – Werden die USA eingreifen?

München – Am Tag danach sieht Juan Guaidó schon wieder recht aufgeräumt aus. In Turnschuhen und blauem Anzug steigt er aus einem Flugzeug, vor ihm ein roter Teppich, Soldaten stehen Spalier. In Kolumbiens Hauptstadt Bogota empfangen sie den 35-Jährigen am Sonntag wie einen Staatschef, mit militärischen Ehren.

Dabei ist Venezuelas selbst ernannter Interimspräsident seinem Ziel, Amtsinhaber Nicolás Maduro zu stürzen, nicht näher gekommen. Und er reist mit schlechten Nachrichten zur so genannten Lima-Gruppe nach Bogota. Die „humanitäre Lawine“, mit der Guaidó am Samstag Hilfslieferungen in sein Heimatland schaffen wollte, endete in einem Desaster. Laster brannten aus, gut 300 Menschen wurden von venezolanischen Sicherheitskräften verletzt, mindestens vier starben. Am Flughafen spricht Guaidó von einem „beispiellosen Verbrechen“ des Maduro-Regimes.

Hat das Scheitern der Hilfslieferungen Maduro gestärkt? Oder trägt Guaidó einen viel wichtigeren Sieg davon, den moralischen? Guaidó gibt jedenfalls nicht klein bei. Er scheint, im Gegenteil, zu allem bereit. Vor dem Treffen der „Lima-Gruppe“ zur Venezuela-Krise rief er die internationale Gemeinschaft auf, „zur Befreiung“ seines Landes „alle Optionen offenzuhalten“. Auch eine militärische.

Die USA, die Guaidó offen unterstützen, drohen schon eine ganze Weile damit. Angeblich liebäugelte US-Präsident Donald Trump schon im August 2017 mit einer Invasion, was ihm sein damaliger Sicherheitsberater Herbert R. McMaster dem Vernehmen nach nur mühsam ausreden konnte. Am Montag teilte Finanzminister Steven Mnuchin mit, dass Strafmaßnahmen gegen vier mit Maduro verbündete Gouverneure von venezolanischen Bundesstaaten verhängt worden seien.

Doch allem Getöse zum Trotz: Ein militärischer Weg ist eher unwahrscheinlich. „Es gibt keine militärische Lösung in diesem Konflikt“, sagt Sabine Kurtenbach, Direktorin des Instituts für Lateinamerika-Studien am Hamburger Giga-Institut. Auch Guaidó wisse, dass das am Ende nur Maduro in die Karten spielt, der sich ohnehin als Opfer einer US-amerikanischen Verschwörung wähnt. Vielmehr müsse man „Maduro und seiner Entourage klarmachen, dass ihre politischen Tage gezählt sind“.

Auch die südamerikanischen Staaten, die in der Maduro-kritischen „Lima-Gruppe“ organisiert sind, wollen eine weitere Eskalation verhindern. Gewalt sei „unannehmbar“, hieß es gestern zum Auftakt. Es brauche Dialog. Günther Maihold, Stellvertretender Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, sagt, es sei Zeit, „die Showpolitik der vergangenen Wochen durch harte Diplomatie zu ersetzen“.

Einen Dialog zwischen Maduro und Guaidó wird es aber kaum geben, das hat vor allem der junge Interimspräsident klargemacht. Maihold denkt denn auch eher an einen Austausch auf unterer Ebene. „Militär, soziale Kräfte, Kirchen müssen miteinander ins Gespräch kommen“, sagt er. Dabei müsse es zunächst mal um neue Hilfslieferungen und die Freilassung politischer Gefangener gehen. Später werde auch Maduro eine Rolle spielen müssen. Sabine Kurtenbach sieht das ähnlich. In Verhandlungen, sagt sie, werde man auch „Teile der aktuellen Regierung mit einbeziehen und einen Ausweg finden müssen, der für sie kein Nullsummenspiel ist“.

Als Guaidó sich Ende Januar zum Interimspräsidenten erklärte, dachten viele, es sei nur eine Frage der Zeit, bis das System Maduro zusammenbreche. Das Scheitern der Hilfslieferungen, sagt Lateinamerika-Experte Maihold, sei der Gegenbeweis. „Es gibt eine Perspektive für die Opposition, aber nur, wenn sie von Extrempositionen abrückt“ – und auch mit Regime-Vertretern spricht. „Es wird jedenfalls kein Abdanken Maduros vom einen auf den anderen Tag geben.“ Die Venezuela-Krise ist längst nicht zu Ende. M. MÄCKLER

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