Washington – Vor acht Jahren sagte Michael Cohen, der langjährige Leibanwalt und „Fixer“ unangenehmer Angelegenheiten für Donald Trump, in einem TV-Interview: Seine wichtigste Aufgabe sei, seinen Chef zu schützen. Notfalls würde er sogar „eine Kugel“ für ihn nehmen. Die Zeiten haben sich drastisch geändert – und bringen dem US-Präsidenten nun massive Probleme. Denn Cohen ist zum Kronzeugen gegen ihn geworden, der gestern in einer live übertragenen Aussage vor dem US-Kongress bewies, dass alle Sympathien verschwunden sind. Er und seine Familie fühlen sich vom Präsidenten bedroht – und baten den Kongress um Schutz.
Trump sei ein „Betrüger“, ein „Hochstapler“ und ein „Rassist“, behauptete Cohen, der über ein Jahrzehnt für Trump und dessen Organisation arbeitete. Diese hochbrisanten Klassifizierungen und die damit verbundenen Details waren wohl noch nie für einen Präsidenten so belastend, seit einst Richard Nixons Anwalt John Dean 1973 vor dem Kongress über „Watergate“ auspackte.
So wie es damals Dean tat, so hat auch Cohen mit den Ermittlern der Justiz kooperiert – Berichten zufolge in Sachen Russland-Kooperation des Trump-Teams und Schweigegeld-Zahlungen an mutmaßliche Geliebte Trumps wie Pornostar Stormy Daniels. Cohen ist, weil er bei einer frühere Kongress-Anhörung gelogen hatte, aus diesem und anderen Gründen wie Betrug und Verletzung von Parteispenden-Gesetzen zu drei Jahren Haft verurteilt worden, die er im Mai antreten muss. Am Dienstag sagte der 52-Jährige bereits vor Volksvertretern hinter verschlossenen Türen aus. Gestern war alles öffentlich – und für ein Millionenpublikum gut verdaulich in vielen Stichpunkten aufbereitet.
„Heute bin ich hier, um die Wahrheit zu sagen“, sagte Cohen. Er schäme sich für seine Unterstützung Trumps, für den er „rund 500 Mal andere Personen bedroht oder unter Druck gesetzt habe“. Vertreter der Republikaner attackierten ihn gestern aufgrund seines freizügigen Umgangs mit der Wahrheit in der Vergangenheit, doch die von Cohen behaupteten Vorgänge mussten sie zur Kenntnis nehmen: Dass Trump davon wusste, dass sein Ex-Berater Roger Stone mit Wikileaks in Kontakt stand, von gehackten E-Mails der Demokraten und dem Veröffentlichungs-Zeitpunkt – und dies als „großartig“ bezeichnete. Dass Trump Cohen Geld anwies, das er zuvor als Schweigegeldzahlungen an zwei Frauen verauslagt hatte. Dass Trump ihn zwar nicht formell damit beauftragte, aber dennoch unmissverständlich andeutete, dass Cohen dem Kongress die Unwahrheit darüber sagen sollte, was das Projekt des geplanten Trump-Towers in Moskau anging.
Es sei schmerzhaft für ihn zuzugeben, dass er Trump wegen seiner eigenen Ambitionen gedient und damit „absolut falsch“ gehandelt habe. Ob Trump zuzutrauen sei, mit einer „fremden Macht“ zum eigenen Vorteil zu kollaborieren, wurde er gestern von einer Demokratin gefragt. „Ja“, lautete Michael Cohens Antwort.
Seit Trump Präsident geworden sei, sei dieser „die schlechteste Version von sich selbst“ geworden, so Cohen. Trump habe seine Präsidentschafts-Bewerbung nur als „Marketing-Möglichkeit“ gesehen und anfänglich gar nicht gewinnen wollen. Mit mehreren Aussagen habe er zudem seinen Rassismus bewiesen – wie der Frage, ob Cohen jemals ein von einem Schwarzen geleitetes Land gesehen habe, dass kein „Scheisshaus“ sei.
Und schließlich das Thema Vietnam, wo sich Trump kurioserweise derzeit zum Gipfel mit Kim Jong Un aufhält. Cohen insinuierte, Trump habe sich mit einer Gefälligkeits-Arztbescheinung um den Wehrdienst und die Entsendung in den Vietnam-Krieg gedrückt. „Denkst Du ich bin blöd? Ich wäre doch nie nach Vietnam gegangen“, habe Trump ihm einst gesagt.
Trump soll Cohen einst die Position des Chef-Anwalts im Weißen Haus versprochen haben, aber dies wurde nicht eingehalten. In welchem Umfang die spektakulären Aussagen Cohens juristisch relevant sind, wird man erst wissen, wenn in Kürze der Abschlussbericht von Sonderermittler Robert Mueller vorliegt. Doch politisch bieten die Behauptungen – wahr oder unwahr – den dankbaren US-Demokraten unschätzbar wertvolle Munition. FRIEDEMANN DIEDERICHS