Gipfel-Debakel in Hanoi

von Redaktion

Zu Hause steht US-Präsident Trump unter wachsendem Druck. Der Gipfel mit seinem „Freund“ Kim sollte ein Befreiungsschlag werden. Jetzt kehrt er mit leeren Händen nach Washington zurück – wo schon neuer Ärger wartet.

Von CAN MEREY, DIRK GODDER UND ANDREAS LANDWEHR

Hanoi – Die Tafel im Hotel „Metropole“ in Hanoi war schon gedeckt, Blumen schmückten den Tisch, US-Präsident Donald Trump wollte hier mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un speisen. Das Mittagessen sollte der letzte Termin vor Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung sein, mit der die beiden gestern bei ihrem zweiten Gipfel Geschichte schreiben wollten.

Nicht nur das Essen, auch die Erklärung fiel aus. Der Gipfel ist gescheitert. Ein Debakel für Trump – der einen Erfolg angesichts des gewaltigen Ärgers zu Hause so dringend gebraucht hätte. Der Mann aus Pjöngjang wollte mehr Zugeständnisse, als Trump zu machen bereit war.

Dabei hatte das Treffen vielversprechend begonnen. Trump ging gewaltig in Vorleistung. Vor acht Monaten in Singapur hatte Kim grundsätzliche Bereitschaft zur „Denuklearisierung“ verkündet. Trump rückte nun davon ab, dass Nordkorea Atomwaffen und Raketen schnell abrüsten müsse. „Es gibt keine Eile“, sagte er in Hanoi. Hauptsache, Kim teste nicht mehr.

Das muss Kim allerdings vermutlich auch gar nicht mehr: Glaubt man ihm, dann sind die Atomwaffen und Raketen Nordkoreas einsatzbereit. Die US-Geheimdienste sind ebenfalls davon überzeugt, dass Nordkorea jetzt schon eine atomare Bedrohung darstellt. Nicht nur in der Sache kam Trump Kim entgegen. Mit dem gemeinsamen Auftritt auf der Weltbühne wertete er den isolierten Machthaber auf. Schon das ist ein Erfolg für Kim.

Nur etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass Trump sagte: „Kein Regime hat seine eigenen Bürger totaler oder brutaler unterdrückt als die grausame Diktatur in Nordkorea.“ In Hanoi spielten Menschenrechte nun gar keine Rolle. Unmittelbar vor dem Wiedersehen schickte Trump einen Tweet in die Welt, in dem er den Diktator seinen „Freund“ nannte. Im Anschluss an den „Handshake“ sagte er: „Es ist eine Ehre, mit dem Vorsitzenden Kim zusammen zu sein.“

Mit einem Durchbruch in Hanoi hätte Trump die schlechten Schlagzeilen zu Hause durch die Anhörung seines früheren Beraters Michael Cohen aus den Schlagzeilen verdrängen können. Am späten Mittwoch sah es zunächst tatsächlich nach einem Erfolg aus: Das Weiße Haus teilte mit, Trump und Kim würden am Donnerstag eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen. So etwas kündigt man eigentlich nur an, wenn die Sache unter Dach und Fach ist – weil eine spätere Absage sonst jedem unmissverständlich deutlich macht, dass der Gipfel krachend gescheitert ist.

Trump wäre nicht Trump, würde er nicht trotzdem versuchen, das Treffen als Erfolg zu verkaufen – wobei das diesmal selbst ihm nicht leichtfällt. „Ich denke tatsächlich, es waren zwei sehr produktive Tage“, sagte er bei einer Pressekonferenz vor seinem Abflug. In alte Zeiten, als er und Kim sich mit Beschimpfungen überzogen, will Trump trotz allem nicht zurückfallen. „Wir mögen einander einfach. Wir haben eine gute Beziehung.“ Von Kim war nichts mehr zu hören.

Trump betonte: „Ich hätte heute einen Deal abschließen können, aber das wäre etwas gewesen, womit ich nicht glücklich gewesen wäre.“ Gescheitert sei alles an der Maximalforderung der Nordkoreaner: „Sie wollten die Aufhebung der Sanktionen in ihrer Gänze, und das konnten wir nicht tun.“ Bei einem seltenen Auftritt vor Journalisten konterte Nordkoreas Außenminister Ri Yong Ho Trumps Darstellung. Man habe nicht die Aufhebung aller, sondern nur eines Teils der Sanktionen gefordert. Die angebotene atomare Abrüstung sei die weitreichendste, die für sein Land derzeit machbar sei.

Nach US-Angaben hatte Kim die bereits zuvor in Aussicht gestellte Schließung seines wichtigen Atomkomplexes Yongbyon und die weitere Aussetzung der Atomwaffen- und Raketentests angeboten. Nicht genug für die USA, um die Sanktionen aufzuheben. Ein Ende aller Sanktionen, so Washingtons Alles-oder-nichts-Position, könne es nur bei „endgültiger, vollständig überprüfter Denuklearisierung“ geben.

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