Pläne gegen das Abschiebe-Chaos

von Redaktion

Mehr als jede zweite Abschiebung scheitert. Für den Staat, der Recht und Ordnung verspricht, eine trübe Bilanz. Was würde helfen? Mehrere Länder erproben neue Konzepte.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND INGO-MICHAEL FETH

München – In Bayern machen in diesen Tagen irritierende Zahlen die Runde. Polizisten berichten, wie oft in der Praxis Abschiebungen scheitern – eine düstere Bilanz. 250 Rückführungs-Versuche, nur 21 gelangen, meldet die Polizei aus Fürstenfeldbruck für das vergangene Jahr. Im Donauwörther Ankerzentrum waren es 134 Versuche, nur 16 erfolgreich. Oft fanden Polizisten ein leeres Bett vor, Asylbewerber, die Widerstand leisten oder sich krank melden. „Es ist frustrierend“, berichten Beamte.

Die Zahlen sind kein Einzelfall. Bundesweit scheitert laut Zahlen des Bundesinnenministeriums mehr als jede zweite Abschiebung, Tendenz steigend – seit 2015 fast 94 000 Mal. Vor allem die Bilanz für 2018 ist negativ.

In mehreren Ländern gibt es Pläne, das Recht und die Verfahren zu verschärfen. Für Deutschland erarbeitet Innenminister Horst Seehofer (CSU) bis April ein „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“. Unter anderem soll die Vorbereitungshaft vor Abschiebungen für Gefährder, Terrorverdächtige und Identitätstäuscher ausgeweitet werden. Die Abschiebehaft soll generell einfacher werden. Dabei soll die „Darlegungslast“ nicht mehr bei den Ausländerbehörden liegen. Künftig kann jemand bereits in Haft genommen werden, wenn die Behörden eine Fluchtgefahr vermuten.

Für Straftäter, die nicht abgeschoben werden können, sind elektronische Fußfesseln, räumliche Beschränkungen und Meldepflichten geplant. Außerdem forciert Seehofer einen neuen Kurs im Umgang mit Geduldeten. Insgesamt gab es nach Angaben aus Ministeriumskreisen Ende 2018 rund 236 000 Ausreisepflichtige, 180 000 davon mit Duldung, 56 000 ohne. Seehofer will stärker den Fokus auf die Geduldeten legen. Von diesen hätten fast 80 Prozent keine Reisedokumente, hieß es. Wer sein Ausreisehindernis etwa durch Identitätstäuschung selbst verschuldet, soll aus der Duldung herausfallen.

In Österreich plant die Bundesregierung sogar eine Verfassungsänderung, um Sicherungshaft für bestimmte Asylbewerber verhängen zu können. Die Verschärfung würde Asylbewerber betreffen, die als Gefahr für die öffentliche Ordnung gelten. Zugleich werden aus den Betreuungszentren ab 1. März Ausreisezentren. Konkret werde nicht nur intensiv die Reiseroute und die Identität festgestellt, sondern auch eine Gefährdungsprognose erstellt, sagte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Auf freiwilliger Basis müssten die Asylbewerber einen Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr einhalten. „Wer das nicht will, für den werden wir einen Ort finden, wo wenig Anreiz besteht, sich dort herumzutreiben“, sagte Kickl – er meint abgelegene Quartiere.

In der Schweiz werden die Asylverfahren ab 1. März mit neuen Asylzentren beschleunigt. Die Erfahrungen bei den Schweizer Pilotversuchen dienten teils als Vorlage für die deutschen Ankerzentren. Alle Neuankömmlinge werden ab sofort in sechs Bundesasylzentren mit bald 5000 Plätzen untergebracht. Da gibt es neben Unterkünften auch Büros für Behördenvertreter, Hilfsorganisationen, Übersetzer und Anwälte. Die Schweiz bietet auch finanzielle Anreize zur Ausreise: Wer vor der ersten Anhörung zum Asylantrag bereit ist, die Heimreise anzutreten, bekommt 1000 Franken (875 Euro), wer nach der Ablehnung des Antrags geht, bekommt 500 Franken und wer Berufung einlegt und erneut verliert, bekommt nur noch 250 Franken Rückkehrhilfe.

In Italien war die drastische Verschärfung des Asylrechts das erste große Vorhaben, das die Koalition der Populisten durchs Parlament brachte. Nach dem im Herbst verabschiedeten Gesetz werden Verfahren ausgesetzt, wenn ein Antragsteller als „sozial gefährlich“ eingestuft wird oder wegen einer Straftat in erster Instanz verurteilt wurde. Macht sich etwa ein Asylbewerber des sexuellen Missbrauchs oder des Drogenhandels schuldig, wird die Prüfung seines Antrags automatisch gestoppt und die Abschiebung in die Wege geleitet. Migranten können seitdem bis zu 180 Tage in Abschiebehaft bleiben. Eine „humanitäre Aufenthaltsgenehmigung“ wird nur noch Opfern von Ausbeutung, Naturkatastrophen oder häuslicher Gewalt gewährt; außerdem Menschen, die dringende medizinische Hilfe benötigen. Die meisten Migranten werden nun in großen Auffangzentren untergebracht. Zudem wurden finanzielle Leistungen gekürzt, der Zugang zu medizinischer Versorgung stark begrenzt.  (mit dpa)

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