Gipfeltreffen Trump/Kim

Schritt für Schritt statt Hauruck

von Redaktion

ALEXANDER WEBER

Politische Gipfeltreffen eignen sich nicht immer für eine rasche Kategorisierung in „Erfolg“ und „Scheitern“. Man denke etwa an das Treffen von US-Präsident Reagan und Sowjet-Generalsekretär Gorbatschow in Island 1986, das ohne Abkommen zu Ende ging, sich aber im Nachhinein als historischer Meilenstein auf dem Weg zum INF-Abrüstungsvertrag entpuppte. Auch beim Gipfel zwischen US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un sollte man abwarten. Immerhin: Nach der PR-Show des ersten Treffens der beiden Alphamännnchen in Singapur, das vor allem dem Diktator Prestigegewinn brachte, wurde diesmal in Hanoi Tacheles in der Sache geredet, also über die Denuklearisierung der Halbinsel.

Man muss schon sehr weltfremd sein, um zu glauben, dass Kim sich einfach auf einen Deal einlassen würde, wie er Trump offenbar vorschwebt: Verschrotte alle deine Atomwaffen und ich helfe dir dabei, aus Nordkorea ein Wirtschaftswunderland zu machen. In Kims Pokerblatt ist die atomare Karte die politische Lebensversicherung schlechthin, die ihn vor jenen Überraschungen schützt, wie sie seine atomwaffenblanken Diktatoren-Spezis Gaddafi und Saddam Hussein erlebt haben. Auch Trumps Vertragsuntreue im Atomdeal mit dem Iran macht den US-Präsidenten in den Augen Kims nicht vertrauenswürdiger. Trumps Konzept des „Geben und Nehmen“ ist deshalb zwar nicht falsch. Aber es lässt sich nicht mit einer Hauruck-Politik umsetzen, sondern erfordert Geduld und schrittweises Vorgehen. Keine Tugenden des Poltergeistes im Weißen Haus.

Alexander.Weber@ovb.net

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