Berlin/Bad Reichenhall – „Mit der neuen Ausrüstung lebt man schon fast gern im Biwak“, lobt Hauptmann Tobias Skinner von der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall. Bei klirrender Kälte im Norden Norwegens haben 150 Gebirgsjäger erst kürzlich drei Wochen lang den neuen „Arktissatz“ getestet – Kleidung für extreme Kälte. Mit Unterziehkombination aus schwarzem Fleece, Schneetarnjacke, -Hose und Expeditionsschuhen, die für warme Füße selbst in 8000 Metern Höhe sorgen sollen. Nach und nach werden alle 5000 Soldaten der Brigade mit der Hightech-Kleidung ausgerüstet. „Durchhaltefähigkeit und Kampfkraft der Soldaten bei Extrembedingungen wird damit merklich gesteigert“, formuliert der Offizier sein Lob militärisch knapp.
Ein Lob? Dabei macht die Bundeswehr derzeit vor allem Negativschlagzeilen. Stichworte: Segelschulschiff, A400M, Sturmgewehr G36. Harte Worte fand vor Kurzem der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), in seinem Jahresbericht. Die materielle Lage sei „mangelhaft“, die Verwaltung ein „Bürokratiemonster“, die Truppe überaltere.
In der Panzerbrigade 12, die an einigen ostbayerischen Standorten stationiert ist, traf die Kritik des Wehrbeauftragten auf ein geteiltes Echo. Einerseits war man froh, dass der Bericht auf noch vorhandene Probleme bei Ausrüstung und Bewaffnung hinweise, wie Presseoffizierin Hauptmann Constanze Kumpf sagt. Auf der anderen Seite seien jedoch spürbare Verbesserungen eingetreten. Auch der CSU-Verteidigungsexperte Reinhard Brandl bemüht sich, das dramatische Bild etwas zu relativieren. Solche Berichte seien „naturgemäß keine Lobeshymnen“. Das müsse man ernst nehmen. Gleichzeitig jedoch sei die Zahl der Eingaben an den Wehrbeauftragten rückläufig, sagt Brandl, der einst bei der Luftwaffe in Manching gedient hatte.
„Die Trendwende ist im Gange“, sagt Hauptmann Kumpf und verweist auf neue Kampftechnik. Das Panzergrenadierbataillon 122 Oberviechtach erhielt im Vorjahr die ersten neuen Hightech-Schützenpanzer des Typs „Puma“, die den in die Jahre gekommenen „Marder“ ersetzen. Die Soldaten seien begeistert vom modernsten und leistungsfähigsten Schützenpanzer, der derzeit zu bekommen sei. Seine Trefferquote liege bei 98 Prozent. Auch bei der persönlichen Ausrüstung der Soldaten, lange stiefmütterlich behandelt, entwickle sich vieles zum Besseren: moderne Nachtsichtgeräte, Sonnenbrillen, Schutzwesten, die Winterausrüstung.
Brandl spricht von einer deutlichen Verlagerung der Schwerpunkte in der Bundeswehr – von der Absicherung der Auslandseinsätze hin zur Verteidigung des Landes und des Nato-Bündnisgebietes. Ziel sei es nun etwa, benötigte Truppen sowie das komplette Material binnen sieben Tagen an die Ostgrenze des Bündnisses verlegen zu können. „Dafür war die Armee bislang nicht aufgestellt. Bei der Umstellung knirscht es im Gebälk“, sagt Brandl. Allerdings sei bereits in den Jahren 2014/15 die „Trendwende“ eingeleitet worden, was sowohl das Personal, das Material als auch den Wehretat betreffe. Der Wehretat wuchs von 33 Milliarden Euro vor sechs Jahren auf 43,2 Milliarden Euro in diesem Jahr. Wurden davon für Materialerhalt, Beschaffung, Forschung und Entwicklung seinerzeit 7,8 Milliarden Euro ausgegeben, sind es heuer fast 13 Milliarden Euro.
Allerdings rolle das neue Material erst nach und nach zu, räumt der CSU-Abgeordnete ein. Der „riesige Nachholbedarf“, etwa bei Ersatzteilen für Panzer, sei noch nicht befriedigend überwunden. In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten seien Wehrtechnik- und Fahrzeuge „auf Verschleiß“ gefahren worden.
Für bayerische Bundeswehrstandorte sind in den nächsten Jahren Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro geplant, etwa für neue Gebäude, Unterkünfte und Ausrüstung. Um die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr zu erhöhen, hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vergangene Woche ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem Sold und Versorgungsleistungen erhöht werden.