Die Rückkehr der Roten

von Redaktion

Nach Jahren tritt sich die SPD wieder im Wolferstetter Keller – Harte Worte und zarte Gesten

Vilshofen – Katarina Barley lächelt ein wenig unsicher. Kein Wunder: Vermutlich ist die in Köln geborene Europa-Spitzenkandidatin der SPD noch nicht so oft in eine niederbayerische Bierhalle einmarschiert. Zumindest ist sie zum ersten Mal zu Gast beim politischen Aschermittwoch. „Ich bin sehr beeindruckt“, wird Barley später sagen. Es klingt nicht gelogen.

Spätestens als die Rosenheimer SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl als Anheizerin das Wort ergreift, sollte die Justizministerin verstanden haben, welcher Wind hier im Wolferstetter Keller zu Vilshofen weht. Sofort geht Noichl in tief bairischem Ton zum Angriff auf die CSU über. Deren Spitzenmann für Europa, der EVP-Fraktionschef Manfred Weber, sei „ein Schlappschwanz“ der es nicht schaffe, die europafeindliche ungarische Orbán-Partei Fidesz endlich aus seiner Fraktion zu werfen. Von der Bühne, von der einst schon Franz Josef Strauß polterte, erzählt Noichl, dass sie eben diesen Strauß in ihrer Jugend „jeden Aschermittwoch im Fernsehen anschauen musste“. Prägend sei das gewesen. „Wer als Kind nur den Strauß hört, kann später nur SPD wählen.“

Doch nicht nur Strauß hat hier schon gestanden, auch für die SPD ist es eine Rückkehr. Nach dem Umzug der CSU nach Passau war sie für viele Jahre am Aschermittwoch im Wolferstetter Keller heimisch. 2012 war die Partei dann selbst in ein Bierzelt umgezogen, das Platz für 4000 Menschen bot. Sogar einen Fanshop gab es darin, in dem man Toaster kaufen konnte mit der Aufschrift: „Damit es nicht schwarz wird“. Dass es nun wieder zurückging, soll offiziell eine Besinnung auf die eigenen Wurzeln symbolisieren. Tatsächlich dürfte das Zelt aber auch einfach zu teuer geworden sein.

Wie auch immer: Der Stimmung hat der Umzug nicht geschadet. „Hoch die internationale Solidarität“, skandieren Teile des Publikums schon nach den Vorreden.

Als dann Katarina Barley die Bühne betritt, wird es erst einmal wieder sehr freundlich. „Ihr seid so süß“, dankt sie ihren Zuhörern und wirft Kusshände ins Publikum. Dass sich das auch schnell ändern kann, merkt Barley, als sie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lobt. Der frühere Investmentbanker in Paris kommt an der SPD-Basis aber nur bedingt an, wie nicht zitierbare Zwischenrufe belegen. Barley wechselt schnell das Thema.

CSU geht immer. Die habe bis vor einem Jahr noch ganz anders über Europa gesprochen, und nun Kreide gefressen, weil sie „einen der ihren auf einen Posten schieben“ möchte. Schließlich will Manfred Weber der nächste EU-Kommissionschef werden. Doch: „Wer Orbán so lange hofiert hat wie die CSU, will kein funktionierendes Europa“, ruft Barley. Überhaupt habe die CSU doch längst vergessen, dass das C für christlich und das S für sozial stehen sollen. Somit bleibe „nur noch das U“.

Das kommt alles gut an beim Publikum. Auch wenn einige wie Bernd Haas den Auftritt von Barley „etwas zu zart“ finden. Ähnlich sieht es auch der Schweinfurter SPD-Kreisvorsitzende Kai Niklaus. Um 4 Uhr morgens ging für die beiden Franken der Bus nach Vilshofen. Beim Aschermittwoch waren sie schon öfter, aber heute sind sie zum ersten Mal im Wolferstetter Keller. „Die Stimmung ist eine andere“, sagt Niklaus. In dem Gewölbe mit Platz für 600 Leute gehe es familiärer zu als im Festzelt. Auf der Bühne geht die Veranstaltung derweil traditionell mit der Bayernhymne zu Ende. Auch die SPD-Funktionäre singen mit. Bis auf Katarina Barley, die den Text nicht kennt. Sie lächelt stattdessen. SEBASTIAN HORSCH

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