Der ewige Ärger mit den Arztterminen

von Redaktion

Die Große Koalition will gesetzlich Versicherten zu mehr Sprechzeiten verhelfen. Doch wie gut und zuverlässig werden Termine beim Arzt schon genutzt? Mediziner haben da Erwartungen an manche Patienten – die aber auch.

VON SASCHA MEYER

Berlin – Schnell einen Termin beim Facharzt zu ergattern – schon das ist für viele Kassenpatienten nicht ganz leicht. Da kommt es in den Praxen nicht gut an, wenn zum vereinbarten Datum einfach niemand erscheint – aus Vergesslichkeit oder weil doch etwas dazwischenkam. Ärzte appellieren an die „Termintreue“ der Kundschaft und mahnen, zumindest zeitig abzusagen. Manche greifen auch zu Sanktionen bis hin zu Ausfallgebühren. In puncto verlässliche Termine sehen Verbraucherschützer und die Krankenkassen allerdings genauso die Ärzte in der Pflicht und setzen dafür auch auf digitale Technik.

Kritisch sind versäumte Termine vor allem in vielen „Bestellpraxen“, die nur feste Zeiten vergeben und keine offene Sprechstunde anbieten. Umso mehr, wenn es um ambulante Operationen oder Untersuchungen geht, für die Geräte und Personal vorbereitet werden. „Hier entsteht den Praxen ein echter wirtschaftlicher Schaden“, sagt Dirk Heinrich, Chef des Verbands der niedergelassenen Ärzte NAV-Virchow-Bund. Auch wer über Telefon-Vermittlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen Termine buche und dann „schwänze“, handele unsolidarisch, kritisiert der Verband. So nehme man anderen Patienten Termine weg.

Wie verbreitet es ist, dass Patienten ihre Ärzte versetzen, ist nicht ganz klar. „Da wird vieles behauptet, und es werden Vorwürfe gegen Patienten erhoben, aber repräsentative Daten sind zumindest uns nicht bekannt“, heißt es beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Laut Kassenärzte-Chef Andreas Gassen sind unentschuldigt nicht wahrgenommene Termine aber „durchaus ein Problem“. Erste Angaben der Kassenärztlichen Vereinigungen schwankten von 5 bis fast 20 Prozent. Die niedergelassenen Ärzte berichten bei zentralen Telefonvergaben von 30 Prozent. Bei normalen Terminen kommt Verbandschef Heinrich in seiner HNO-Praxis auf 40 Fälle im Monat.

Unter Medizinern sorgt das für Frust. Der NAV-Virchow-Bund brachte schon befristete Sperren für Terminvergaben per Telefon-Vermittlung ins Spiel und macht sich auch für Ausfallgebühren stark. „Mit dem Signal einer solchen Gebühr setzen wir auf Lernerfolg bei Patienten“, sagt Heinrich. Die Kassen halten dagegen. Bei den Vereinbarungen über Ärztevergütungen seien auch Zeiten mit nicht erscheinenden Patienten berücksichtigt. Strafgebühren seien also nicht gerechtfertigt und führten eher zu einer Störung des Arzt-Patienten-Verhältnisses, warnt der Vize-Vorstandschef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. „Gerade weil Patienten trotz eines Termins immer wieder eine gefühlte Ewigkeit in Wartezimmern sitzen, sollten sich Ärzte beim Thema Termintreue zuerst an die eigene Nase fassen.“

Viele Ärzte setzen schon auf Erinnerungen zum Beispiel per SMS aufs Handy. Weitere digitale Lösungen dürften sich künftig noch mehr verbreiten. Termine seien damit überall und jederzeit buchbar, heißt es beim IT-Branchenverband Bitkom. Online-Vergaben seien auch mit Erinnerungen zu verbinden, sodass Patienten Termine seltener vergessen oder zumindest absagen – diese könnten dann noch an andere Patienten von einer Warteliste gehen.

Überhaupt bedeuten ausbleibende Patienten nicht immer gleich totalen Leerlauf. Laut einer Studie für die Kassenärztliche Bundesvereinigung von 2014 schieben Praxen meist andere Patienten ein oder ziehen jemanden aus dem Wartezimmer vor. Oft sitzen dort ja genügend Menschen, die dankbar sind, wenn es mal ein wenig schneller geht.

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