Berlin – Sein Kampfname lautete „Vater des Wolfes“. Der Mann hatte in Syrien Menschen entführt, gefoltert und getötet, bevor er als Flüchtling nach Deutschland kam. Doch seine Taten holten ihn ein. Hier erkannte ihn eines seiner Opfer in einer Erstaufnahmeeinrichtung wieder. Er wurde verhaftet, kam vor Gericht und wurde 2018 in Düsseldorf zu lebenslanger Haft verurteilt.
Mehr als 5000 Hinweise auf mögliche Kriegsverbrecher hat das Bundeskriminalamt seit 2014 erhalten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der FDP-Abgeordneten Linda Teuteberg hervor. Die meisten Hinweise beziehen sich zwar auf Folterer, Terroristen, Milizionäre und Funktionäre, die sich noch im Herkunftsland aufhalten. Doch es gibt eben auch die Fälle, in denen Flüchtlinge ihre früheren Peiniger in Deutschland wiedererkannt haben. Erst im Februar waren in Berlin und Rheinland-Pfalz zwei Syrer festgenommen worden. Die beiden ehemaligen Mitarbeiter des Allgemeinen Geheimdienstes sitzen jetzt in Untersuchungshaft.
Dass bisher aber nur ein Bruchteil der Hinweise von Flüchtlingen zu Ermittlungsverfahren geführt hat, liegt einerseits an der hohen Arbeitsbelastung der mit diesen Fällen betrauten Beamten in Polizei und Justiz. Weitere Gründe sind falsche Anschuldigungen und die oft sehr schwierige Beweislage bei Verbrechen, die im Ausland begangen wurden. Einige Hinweise sind zudem so unkonkret, dass sie keinen Ermittlungsansatz bieten – etwa wenn jemand bei der Asyl-Anhörung erzählt, er habe auf seiner Flucht gesehen, wie ein Kämpfer der Terrormiliz IS einen anderen Flüchtenden erschossen habe. Das heißt aber nicht, dass Kriegsverbrecher, die hierzulande mit falscher Identität ein neues Leben begonnen haben, auch in Zukunft keine Strafverfolgung fürchten müssen. Denn Verbrechen des Völkerstrafgesetzbuches unterliegen keiner Verjährung.
Laut Bundesinnenministerium gab das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) von 2014 bis Anfang 2019 rund 5000 Hinweise auf „Straftaten nach dem Völkerrecht“ an das Bundeskriminalamt und den Generalbundesanwalt weiter. Von anderen Stellen kamen 210 weitere Hinweise. Nur in 129 Fällen wurden Ermittlungen zu konkreten Verdachtsfällen aufgenommen. In den Jahren 2015 und 2016, also auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs, gab es 3810 Hinweise, es kam jedoch nur zu 28 Ermittlungsverfahren mit insgesamt 38 Beschuldigten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte am Rande eines EU-Innenministertreffens in Brüssel, die Informationen seien aber „nicht einfach von den Sicherheitsbehörden abgelegt worden, sondern natürlich geprüft worden, auch nach Prioritäten geschichtet worden“. Er lege trotzdem „Wert darauf, dass ich als Minister noch auch schriftlich einen Bericht bekomme, damit die Öffentlichkeit dann informiert werden kann, was mit diesen Meldungen konkret geschehen ist“. Wenn es etwas aufzuarbeiten gebe, werde dies geschehen. Die Bundesanwaltschaft wollte sich zur Zahl der Ermittlungsverfahren nicht äußern.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte auf Anfrage: „Die große Zahl der Hinweise hat es nicht zugelassen, allen zum Beispiel durch polizeiliche Vernehmungen unmittelbar nachzugehen. Die Hinweise wurden jedoch elektronisch erfasst und werden auch in Zukunft für die laufenden Ermittlungen herangezogen.“ Die 2018 beim BKA neu geschaffene Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen sei bereits aufgestockt worden. Ein weiterer Stellenzuwachs sei aber geplant.
Wie aus der Antwort der Regierung weiter hervorgeht, sind unter den Beschuldigten auch zwölf deutsche Staatsbürger. Weitere Beschuldigte kamen unter anderen aus Syrien, Afghanistan, Gambia und dem Irak.