GEORG ANASTASIADIS
Der mit viel Vorschusslorbeeren in sein Amt gestartete CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus hat einen richtigen und zugleich unfassbar dummen Satz gesagt: Er könne sich vorstellen, dass Deutschland im Jahr 2030 von einem muslimischen Kanzler regiert werde, sofern dieser unsere Werte teile. Dagegen ist formal wenig einzuwenden: Deutschland ist kein christlicher Gottesstaat, und das Grundgesetz fragt nicht nach der Religion des Regierungschefs. Wo kämen wir denn da hin?
Töricht ist die Äußerung eines der mächtigsten Männer der Union dennoch. Schließlich sind die allermeisten Bundesbürger ja nicht Teilnehmer eines verfassungsjuristischen Seminars. Sondern ganz normale Menschen mit Überzeugungen, kulturellen Wurzeln, auch mit Ängsten. Nicht wenige von ihnen haben sich aus Sorge vor einem wachsenden Einfluss des Islam im Zuge der zurückliegenden Einwanderungswellen von den C-Parteien abgewandt und sich eine neue politische Heimat gesucht. Ein europäischer Verkaufsschlager war ein Buch, das von der „Unterwerfung“ der christlich geprägten Gesellschaften durch den Islam handelt. Zu Recht verwendet die CDU von Annegret Kramp-Karrenbauer deshalb viel Mühe darauf, Wähler, die sich von der Merkel-Partei in ihrem Modernisierungsrausch nicht mehr verstanden fühlten, für die Union zurückzugewinnen. Man muss der Gefühlswelt der eigenen Mitbürger schon ziemlich entrückt sein, um da ohne Not darüber zu phantasieren, dass ein muslimischer Kanzler, wenn auch erst in elf Jahren, doch chic wäre.
Mag ja sein, dass Brinkhaus meinte, dass die Leute zu viel über die Pläne der SPD reden und zu wenig über ihn. Das hat er nun geändert, aber auf eine Art, die CDU und CSU nicht helfen wird. Brinkhaus’ überraschende Wahl zum Unions-Fraktionschef galt gerade bürgerlichen Wählern als erlösendes Aufbruchssignal aus der bleiernen Ära Mer-kel. Für sie ist auch er jetzt nur eine Enttäuschung mehr.
Georg.Anastasiadis@ovb.net