München – Das schlechte Gewissen lässt sich berechnen, ganz unkompliziert im Internet. Wer, sagen wir, von München nach New York fliegt, legt 6500 Kilometer zurück und bläst gut 1,6 Tonnen CO2 in die Luft. Das ist etwa so viel, wie ein Inder (oder eine Inderin) im Jahr emittiert und fast so viel, wie ein Mittelklassewagen ausstößt. Als Ausgleich schlägt „www.atmosfair.de“ vor, 38 Euro in ein Naturschutzprojekt zu investieren, den Spendenlink liefert man gleich mit. Man könnte auch fünf Bäume pflanzen. Je nach Geschmack.
Im Netz gibt es viele solcher CO2-Rechner, mit denen sich das Gewissen erleichtern lässt. Das ist halb so gaga, wie es klingt. Bald will sogar der Bundestag diskutieren, ob es für Abgeordnetenreisen künftig Kompensationen gibt. Bayerns ehemaliger Grünen-Chef Dieter Janecek dürfte das gefallen, wobei er seine Flüge schon jetzt mit Spenden ausgleicht. Dieses Jahr, sagt er, sei ein Entwicklungsprojekt in Lesotho dran.
Vielfliegerei ist extrem klimaschädlich. Um sie einzudämmen, hat Janecek einen konkreten Vorschlag gemacht. Im Interview mit unserer Zeitung forderte er, ein Flugbudget für jeden Bürger einzuführen. Das geht in etwa so: Ab der vierten internationalen Flugreise (hin und zurück) im Jahr sollen sich die Preise verteuern, womöglich um bis zu 50 Prozent. Wer einmal im Jahr in den Urlaub fliegt, wäre nicht tangiert. Fliegen würde vor allem für jene teurer, die es sich ohnehin leisten können.
So richtig durchgerechnet ist das Ganze noch nicht, gesteht Janecek. Deshalb ist auch Parteikollege Ludwig Hartmann, Fraktionschef im bayerischen Landtag, moderat formuliert, nicht sehr angetan von dem Vorstoß. „Ich schätze Dieter Janecek für seine kreativen Ideen, mit denen er manche Debatte anstößt“, sagt Hartmann. „Aber an diesem Vorschlag ist gar nichts grün.“ Man müsse die Dinge vom Ende her rechnen – und wenn 48 Millionen im Jahr überhaupt nicht fliegen, dann seien drei Flugpaare pro Jahr eben viel zu viel.
Auch Hartmanns Co-Fraktionschefin Katharina Schulze äußert sich zurückhaltend. Es brauche konkrete Maßnahmen gegen die Klimaerhitzung, betonte sie auf Anfrage. Jeder Vorschlag zur CO2-Reduzierung sei es daher wert, diskutiert zu werden. Sie persönlich halte aber „eine ganzheitliche Lösung mit einer CO2-Steuer für sinnvoller. Diese Steuer hätte eine lenkende Wirkung, da sie nach dem Verursacherprinzip funktioniert“. Der Nachteil: Die Flüge würden schon ab der ersten Reise teurer.
Ludwig Hartmann schlägt ähnliche Instrumente vor: die Streichung von versteckten Subventionen, eine höhere Kerosinsteuer, einen Stopp des Ausbaus von Flughäfen, einen massiven Ausbau der Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge. „Wenn man wirklich etwas erreichen will, muss man das Angebot verknappen.“
Für die Grünen ist das Thema heikel. Ihnen wird häufig vorgeworfen, für Maximallösungen zu trommeln, aber selbst so viel zu fliegen wie keine andere Partei. Schulze musste Anfang des Jahres deshalb jede Menge Spott über sich ergehen lassen: Sie hatte ein Foto aus dem Winterurlaub gepostet – in Kalifornien. Zu allem Überfluss war auch noch ein Eis im Wegwerfbecher samt Plastiklöffel zu sehen. FDP-Fraktionschef Martin Hagen reagierte mit einem Foto aus Bayern – Urlaub dahoam. Im Internet hagelte es Hohn und Spott für Schulze, die sich mehr und mehr zu einem bundesweiten Gesicht der Grünen entwickelt.
Hagen hält im Übrigen ebenfalls wenig von Janeceks Vorschlag. Er zeige „das wahre Gesicht der Grünen“, sagte der FDP-Mann unserer Zeitung. „Wenn der Staat unsere Reisen dokumentiert und rationiert, ist der Weg zur Ökodiktatur nicht mehr weit.“