Berlin bremst Macrons Mindestlohn-Träume

von Redaktion

Die Antwort auf die Europa-Ideen des französischen Staatspräsidenten kommt nicht aus dem Kanzleramt. Statt dessen reagiert CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer. Sie setzt sich kritisch mit Macron auseinander.

Berlin – Eine knappe Woche nach dem jüngsten EU-Reformvorstoß von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre eigenen Vorstellungen als Antwort vorgelegt. In einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“ umschreibt Kramp-Karrenbauer unter dem Titel „Europa richtig machen“ ihr Konzept für die künftige Zusammenarbeit in der EU. Dabei widerspricht sie Macrons Forderungen nach einer Europäisierung der Sozialsysteme und des Mindestlohns – dies wäre „der falsche Weg“.

Hauptziel: „Unser Europa muss stärker werden.“ Dabei gehe es zuerst um die Sicherung der Grundlagen des Wohlstandes. Kramp-Karrenbauer schlägt einen „gemeinsamen Binnenmarkt für Banken“ vor. „Gleichzeitig müssen wir konsequent auf ein System von Subsidiarität, Eigenverantwortung und damit verbundener Haftung setzen“, schreibt die CDU-Vorsitzende: „Europäischer Zentralismus, europäischer Etatismus, die Vergemeinschaftung von Schulden, eine Europäisierung der Sozialsysteme und des Mindestlohns wären der falsche Weg.“

In der Außen- und Sicherheitspolitik fordert sie einen „gemeinsamen ständigen Sitz“ der EU im UN-Sicherheitsrat; Frankreich ist bislang aber nicht bereit, seinen ständigen Sitz aufzugeben. „Gleichzeitig sollten wir in einem Europäischen Sicherheitsrat unter Einbeziehung Großbritanniens über gemeinsame außenpolitische Positionen entscheiden“, schlägt die CDU-Chefin vor. In Deutschland solle ein eigener Nationaler Sicherheitsrat für strategische Leitlinien geschaffen werden.

In Umweltfragen setzt die CDU-Chefin auf einen europäischen Klimaschutz-Pakt. Zudem fordert sie, Steuerschlupflöcher zu schließen und eine am Modell der OECD orientierte digitale Besteuerung einzuführen.

Einigkeit mit Macron demonstriert sie in der Flüchtlingspolitik. „Unser Gefühl der Gemeinschaft und der Sicherheit in Europa braucht sichere Außengrenzen. Wir müssen Schengen vollenden.“ Dazu gehöre eine Vereinbarung über „lückenlosen Grenzschutz“. Dort, wo die Außengrenze nicht mit nationalen Mitteln allein geschützt werden könne, müsse die EU-Grenzschutzbehörde Frontex „zügig als operative Grenzpolizei“ aufgebaut und eingesetzt werden.

Hierfür setzt Kramp-Karrenbauer auf ein elektronisches Ein- und Ausreiseregister. Europas Migrationspolitik müsse nach dem Prinzip „kommunizierender Röhren“ neu organisiert werden. Jeder Mitgliedstaat müsse seinen Beitrag für Ursachenbekämpfung, Grenzschutz und Aufnahme leisten. „Aber je stärker er dies in einem Bereich tut, umso weniger groß muss sein Beitrag auf den anderen Feldern sein.“

Ein spannendes Detail: Sie verlangt, das Europaparlament solle künftig nur noch am Brüsseler Standort sitzen – nicht mehr auch in Straßburg. Außerdem müsse das Einkommen der EU-Beamten besteuert werden.

Bayerns Europaminister Florian Herrmann (CSU) lobte das AKK-Konzept. Nur ein Europa, „das sich auf die wichtigen Herausforderungen konzentriert“, werde die Menschen auf dem Kontinent wieder für die europäische Idee begeistern, sagte er unserer Zeitung. „Es ist gut, dass die Union ein deutliches bürgerliches europapolitisches Profil zeigt“, sagte Herrmann. Das sei auch nötig, um den Bürgern „die klaren Unterschiede zum Konzept eines linken Europa von SPD und Grünen vor Augen zu führen“.

Die stellvertretende Grünen-Chefin Jamila Schäfer klagte, Kramp-Karrenbauer wende sich nun gegen gemeinsame soziale Mindeststandards in Europa und lasse Bekenntnisse zu Klimaschutz und Demokratisierung vermissen. „Sie hat den Schuss leider nicht gehört.“  afp/cd

Artikel 3 von 11