München/Budapest – Ein diplomatischer Tanz auf der Rasierklinge: CSU-Vizechef Manfred Weber wird im Streit mit Ungarns Regierungschef Viktor Orbán überraschend persönlich nach Budapest reisen. Bei einem Treffen diese Woche will er einen letzten Versuch unternehmen, den Bruch der konservativen Parteienfamilie Europas (EVP) mit Orbáns Fidesz-Partei zu verhindern.
Das private Treffen sei ein Wunsch Webers gewesen, sagte ein Sprecher. Über weitere Gespräche in Budapest, etwa an der von Orbán bekämpften Universität CEU oder mit Politikern anderer Parteien, sei noch nicht entschieden. Nach Angaben aus ungarischen Kreisen soll das Treffen am Dienstagmittag stattfinden. Eine Tendenz sei nicht absehbar.
Weber reist als EVP-Spitzenkandidat nach Budapest. In der Parteiengruppe wächst seit Monaten der Groll über Orbáns teils antieuropäischen Wahlkampf und seine repressive Politik gegenüber Medien und Wissenschaft. Mitgliedsparteien aus einem Dutzend Ländern fordern den Rauswurf der Ungarn. Bei einer Sitzung am 20. März dürfte eine Entscheidung darüber fallen.
Gleichzeitig warnen viele konservative Politiker unter anderem aus CSU und CDU vor einem völligen Bruch, der Orbán unmittelbar in die Arme der Rechtspopulisten treiben und weder Parteien noch Land dienen würde; im übrigen auch nicht Weber, der nach der Europawahl im Mai zum Präsidenten der EU-Kommission gekürt werden möchte. Hinter den Kulissen haben die Parteichefs Annegret Kramp-Karrenbauer, Markus Söder sowie Österreichs Kanzler Sebastian Kurz deshalb mehrfach über Kompromisslösungen und rote Linien beraten. Das schließt Hilfen für die Budapester Central European University (CEU) ein. Sie wurde vom ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros gegründet, den Orbáns Regierung heftig anfeindet.
Ob die Reise nützt und ob Orbán zu Kompromissen bereit ist, weiß man auch in Webers Lager nicht. Es gebe „sehr unterschiedliche Signale im Moment“, sagt ein Sprecher. Der Ungar ist bereit, eine umstrittene Plakataktion gegen die EU zu stoppen. In einem Radiointerview spekulierte er am Wochenende aber darüber, aus eigenem Antrieb die Allianz der 56 EVP-Parteien zu verlassen. Lieber sei ihm aber eine Reform der EVP, so dass einwanderungskritische Parteien dort mehr Platz fänden.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER