Der Frankenkaiser dankt leise ab

von Redaktion

Nürnbergs Oberbürgermeister Maly will völlig überraschend 2020 aufhören – Für die SPD ist sein Rückzug bitter

Nürnberg/München – Vor ein paar Jahren hat unsere Zeitung mal Ulrich Maly einen Tag durch seine Stadt Nürnberg begleitet. Der Oberbürgermeister hatte wunderliche Termine. Im Nieselregen verharrte er an einem Infostand im Stadtteil Worzeldorf, bis alle, wirklich alle, älteren Damen mit Gehwagerl ihm ihre Sorgen geschildert hatten. Dann inspizierte er ein Hutmuseum, ließ sich Zylinder und Zwerghüte erklären, mit Engelsgeduld. Später, auf dem Weg ins Rathaus, sagte er ein paar Sätze, die seinen Erfolg erklären: Es kann nichts geben, was ihm zu klein ist. „Sie müssen, auch wenn das kitschig klingt, die Leute mögen. Feuerwehr. Kaninchen. Sportvereine.“

Die unbändige Lust aufs Lokale hat Maly zu einem außergewöhnlichen Erfolg im überwiegend schwarzen Bayern verholfen. Als SPD-Politiker, damals Kämmerer der Stadt, verdrängte er 2002 einen CSU-Oberbürgermeister aus dem Amt. 2008 bestätigten ihn die Nürnberger mit über 64 Prozent. 2014 holte er dann eine Zweidrittel-Mehrheit, 67,1 Prozent. „Der rote Riese“ und „Der Frankenkaiser“ titelten große Zeitungen in Bayern daraufhin.

Und jetzt dankt der Kaiser einfach ab. Bei einer Pressekonferenz in Nürnberg hat Maly so ruhig und leise wie immer mitgeteilt, 2020 nicht mehr Spitzenkandidat zu sein. „Das Ergebnis einer sehr selbstkritischen Betrachtung“, sagte er. Ein halbes Leben in der Politik sei genug. „Ich hab mal als jüngster Oberbürgermeister einer Großstadt begonnen und bin jetzt der dienstälteste.“ Er wolle einen Generationswechsel ermöglichen.

Der Schritt überrascht Kenner der Stadtpolitik und auch seine Parteifreunde total. Mit seinen 58 Jahren hätte er noch zweimal bei Kommunalwahlen kandidieren dürfen. Maly ist damit vergönnt, was wenige Berufspolitiker schaffen: freiwillig gehen, solange das allgemein noch bedauert wird. Aufhören, ehe das Amt den Charakter verändert und sich einer für unverzichtbar hält. „So ein Spitzenamt kann man nur mit Demut, mit Distanz zu sich selbst, ausüben“, beteuert Maly oft. Bisher blieb er stets nahbar, schirmte sich auch nie, wie manch OB-Kollege, hinter nervös abwimmelnden Mitarbeitern ab.

Ein bisschen wird sicher noch spekuliert werden, was Maly jetzt plant. Viele hatten ihm eine Karriere in der Landespolitik oder ein Ministeramt in Berlin nachgesagt. Mehrfach war der Nürnberger in Umfragen der beliebteste SPD-Spitzenkandidat fürs Ministerpräsidentenamt. Im Jahr 2015 sagten 34 Prozent der Wähler, Maly solle es machen. Die heutige SPD-Landeschefin Natascha Kohnen, die stattdessen zur Wahl antrat, hatte damals fünf Prozent. Dem Nürnberger, promovierter Volkswirt, waren solche Zahlen indes stets egal. „Ich rate generell dazu, Umfragen zu nutzen wie ein Betrunkener eine Laterne: Als Stütze, wenn man sie unbedingt braucht, aber nicht als Erhellung“, sagte er mal. Maly kandidierte nie für andere Ebenen, er schließt das auch jetzt klar und kategorisch aus. Er hielt sich dafür stets mit klugen Ratschlägen an seine SPD zurück.

Für seine Partei ist der Abschied bitter. Vielleicht verliert sie nach Maly 2020 das Nürnberger Rathaus, bisher wurde kein Nachfolgekandidat aufgebaut. Die CSU wird viel investieren, um die Heimatstadt des Ministerpräsidenten zurückzuholen, von einer „Zäsur“ spricht Markus Söder sofort. Den Roten, die einst alle großen Städte Bayerns regierten, droht ein Negativtrend. Sie verloren 2014 Augsburg an die CSU, ihr Regensburger OB ist vom Dienst suspendiert und steht vor Gericht. Auch in München muss Dieter Reiter gegen eine Erfolgswelle der Grünen kämpfen. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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