„Diese Berlin-Gläubigkeit ist falsch“

von Redaktion

München – Vor wenigen Monaten war das Verhältnis in der Union schwerst belastet. Einer der CDU-Wortführer, der mit der Gründung eines Landesverbands in Bayern drohte, war Armin Laschet. Heute kommt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident nach Bayern – gemeinsame Kabinettssitzung mit der Söder-Mannschaft. Ist die neue Harmonie echt? Ja, sagt Laschet. Und München sei ihm auch nicht fremd – er hat hier studiert und seine journalistische Ausbildung bei Radio Charivari absolviert.

Vor einem halben Jahr haben Sie gesagt, die CSU nutze „Saddam-Hussein-Sprache“. Jetzt reisen Sie selbst nach München – stellen Sie sich Bayern vor wie die irakische Diktatur?

Nein. Ich habe das auch nicht über die CSU gesagt, sondern über den Ausdruck, die Migrationsfrage sei die „Mutter aller Schlachten“. Das hat mir damals nicht gefallen. Inzwischen wissen alle in CDU und CSU, dass sich ein Streit wie 2018 nicht wiederholen darf. Mein Eindruck ist: Auf allen Seiten wird stärker zusammengearbeitet denn je.

Den CSU-Tonwechsel hat Markus Söder verfügt, früher auch keiner der Zurückhaltenden. Trauen Sie seinem neuen Kurs?

Dem traue ich. Wir alle haben aus 2018 gelernt. Bei den Wahlen in Hessen und Bayern haben CDU und CSU nicht gut abgeschnitten, weil die Ergebnisse guter Politik gelegentlich von einem schlechten Stil vergraben waren. Die Zusammenarbeit seither mit Markus Söder zeigt, dass es sehr viel Übereinstimmung gibt. Sie macht Freude, ist ausgesprochen konstruktiv und effizient.

Die „Werte-Union“ fordert Kanzlerin Merkel zum Rückzug auf. Sollte man das ernst nehmen?

Diese Gruppe spiegelt sich nicht in unseren hunderttausenden Mitgliedern wider. Die Große Koalition soll jetzt ihre Arbeit machen. All diese Spekulationen über Koalitionsbruch oder Kanzlerwechsel sind nicht das, was die Menschen von verantwortungsvollen Politikern erwarten. Sie wollen, dass wir die Probleme anpacken und lösen.

Sie kommen zur gemeinsamen Kabinettssitzung nach München. Üblicherweise ist das Anlass für schöne Bilder und nette Gesten. Bieten Sie mehr?

Ja. Wir werden bei den großen Themen enger zusammenarbeiten und eine neue Partnerschaft der Vorreiter bilden: neue Mobilitätskonzepte, bei der Zukunft des Föderalismus, der Verkehrsinfrastruktur oder auch natürlich der Digitalisierung. Wir wollen Erfahrungen austauschen: Wie machen wir optimal E-Government, wie rüsten wir die Schulen am besten für digitale Bildung aus? Bei der Debatte um den Digitalpakt haben wir doch genau erlebt, wie wichtig es ist, dass die Länder ihre Stärken und Kompetenzen gegenüber dem Bund verteidigen. Da haben wir eine Menge gemeinsame Ideen.

Stehen Sie voll hinter Söders Plänen zur Föderalismus-Stärkung?

Wir gehen hier gemeinsame Wege. Gerade im 70. Jubiläumsjahr des Grundgesetzes müssen wir uns wieder stärker auf den Föderalismus besinnen. Es gibt eine latente Stimmung, wenn irgendwas nicht klappe, müsse es der Bund zentral übernehmen, und alles wird gut. Markus Söder und ich sind dezidiert der Meinung, dass diese Berlin-Gläubigkeit falsch ist. Wir können vieles besser vor Ort regeln. Das gilt besonders für Bildungsfragen. Nordrhein-Westfalen und Bayern können als Tandem die wichtige Debatte über die Zukunft des Föderalismus mit großer Kraft prägen.

Klares Nein zu mehr Bundeskompetenz?

Ich will generell so viel Bundeskompetenz wie nötig, so viel Länderkompetenz wie möglich. Beispielsweise ein Bundesbildungsministerium ist weit weg von den Erfahrungen vor Ort. Deshalb haben wir den Plan des Bundes verhindert, für den Digitalpakt die föderale Ordnung unseres Landes aus den Angeln zu heben. Das war mit uns – und Hessen, Sachsen, Baden-Württemberg – nicht zu machen. Diese fünf Länder werden am Freitag im Bundesrat zeigen, dass der Digitalpakt kommen kann, ohne dass man das Grundgesetz fundamental verändert.

Entsteht eine neue Achse Bayern–NRW – oder ist der Begriff übertrieben?

Das sind zwei Länder, die in ihrer Vielfalt große Teile Deutschlands widerspiegeln. So stellen wir fast 40 Prozent der Einwohner und erwirtschaften rund 40 Prozent der Wirtschaftsleistung Deutschlands. Unser Treffen ist der Start für die dauerhafte Partnerschaft unter Vorreitern. Markus Söder und ich sind zwei in der Union, die mal sehr unterschiedliche Positionen vertreten haben, aber jetzt auch persönlich sehr gut klarkommen. Zwischen uns ist echtes Vertrauen gewachsen. Das trägt.

Interview: Chr. Deutschländer

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