CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER
Man kann Manfred Weber nicht vorwerfen, katzbuckelnd in Ungarns Regierungszentrale geschlichen zu sein. Aufrecht, mit klaren Forderungen, ist der wichtigste Konservative in Brüssel zu Viktor Orbán gereist. Sein Ziel war aber, ein Einlenken im sich stetig zuspitzenden Streit um einen Rauswurf aus der Parteienfamilie EVP auszuloten. Und das ist aller Mühen wert. Nach wie vor ist es ein hoher Anspruch, Europas Konservative zusammenzuhalten, die fast allerorten zerfleddern. Das rechtfertigt nicht Orbáns repressive Medien- und Wissenschaftspolitik; seine harte Migrationslinie müssen aber auch Konservative aushalten, die sich eine andere Politik wünschen.
Orbán wird in den kommenden Wochen, falls die Geduld in der EVP so lange währt, ein Spielchen aus abwechselnd Deeskalation und neuer Provokation anzetteln – hier ein Hetz-Plakat abhängen, da eine neue Parole nachlegen. Er agiert, unter dem Druck ultrarechter Konkurrenz in Ungarn stehend, schlicht nach der kalt kalkulierten Maßgabe, was ihm bei der Europawahl nützt.
Falls dieser Streit nicht heillos eskaliert, darf auch Weber in solchen Kategorien denken. Viele in seiner CSU und in Teilen der CDU tun das jedenfalls. Lieber wird der besonnene, verbindliche Proeuropäer Weber mit den Stimmen der Fidesz-Partei und des Regierungschefs Orbán zum Kommissionspräsidenten befördert, um in Brüssel, wo nötig, aufzuräumen und Populisten das Wasser abzugraben – als dass er am Ende bei knappen Mehrheiten mit vermeintlich stäubchenreinem Gewissen scheitert.
Christian.Deutschlaender@ovb.net