Nach dem angekündigten Rückzug der erschöpften Sahra Wagenknecht von der Fraktionsspitze der Linkspartei ist die Schadenfreude mancher Partei-„Freunde“ mit Händen zu greifen. Sie haben nun Gelegenheit zu zeigen, dass sie es besser können als ihre ebenso streitbare wie umstrittene Frontfrau. Das kann was werden.
Gescheitert ist mit Wagenknechts Doppel-Demission – in ihrer Sammlungsbewegung „Aufstehen“ und der Linkspartei – ein Politikansatz, der „links“ und zugleich „migrationskritisch“ sein sollte. Gescheitert ist damit aber auch der spannende Versuch, Wähler, die sich wegen der Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen von der Linkspartei ab- und der AfD zugewandt hatten, zurückzuholen. In der SPD hat man diese Wähler längst abgeschrieben. Jetzt, ohne Wagenknecht, tut die Linke dasselbe. Das wird die SED-Nachfolgepartei bei den für sie zentralen Landtagswahlen in Ostdeutschland gewiss nicht stärken. Im Übrigen: So viele Aushängeschilder hat die Partei nicht. Ob es der Linken hilft, wenn statt der eloquenten und eleganten „roten Sahra“, der auch ein bürgerliches Publikum aufmerksam zuhörte, jetzt Katja Kipping die TV-Talkshows bestreitet, muss sich noch zeigen.
Wagenknecht ist zuzutrauen, dass sie all das bedacht hat, als sie sich zu ihrem Schritt entschlossen hat. Es ist unausgesprochen gewiss auch ein Stück Revanche für erlittene Angriffe aus ihrer Partei. Ob es wirklich, wie Wagenknecht gestern beteuert, „nur ein dummer Zufall“ war, dass sie ihren Rückzug auf den Tag genau 20 Jahre nach dem Rücktritt ihres heutigen Ehemanns Oskar Lafontaine vom Vorsitz der später unglücklich geendeten SPD erklärte, wie ein böses Omen? Das darf glauben, wer mag. Viele Gläubige wird man in der Linkspartei nicht finden.
Georg.Anastasiadis@ovb.net