Brexit: Was geht noch?

von Redaktion

Wieder eine Niederlage für Theresa May, wieder keine Mehrheit in London für den Brexit-Vertrag. Nun wird der Tunnel eng und die Zeit knapp. „Die Optionen sind trostlos“, sagt die Premierministerin.

VON V. SCHMITT-ROSCHMANN, C. MEYER UND S. KUSIDLO

London/Brüssel – Die Appelle nützten nichts, die Drohungen nicht und auch nicht die Vision einer „strahlenden Zukunft“ für Großbritannien, die Premierministerin Theresa May immer wieder beschworen hat. Das Unterhaus hat den Brexit-Deal mit der EU abgeschmettert. Was nun, Britannia?

Im Straßburger Europaparlament herrschten am Morgen nach den dramatischen Stunden in Westminster Frust, Wut und Ratlosigkeit. „Was für ein Desaster“, sagte EVP-Fraktionschef Manfred Weber. „So kann es nicht weitergehen.“ EU-Unterhändler Michel Barnier ergänzte, das Risiko eines „No Deal“ sei „so hoch wie nie zuvor“.

Am Abend immerhin votierte das Unterhaus mit knapper Mehrheit dafür, keinesfalls am 29. März ganz ohne Vertrag aus der EU zu scheiden. Nun werden sie am Donnerstag über eine Verschiebung des Brexit-Termins entscheiden. Aber auch das wäre kein Ausweg aus der Krise. Ein Überblick:

Verschiebung: Die Verlängerung der zweijährigen Austrittsfrist über Ende März hinaus ist nach Artikel 50 des EU-Vertrags möglich und politisch wahrscheinlich. Allerdings müssten die 27 bleibenden EU-Staaten einen britischen Antrag einstimmig billigen. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte dazu: „Die EU 27 wird eine glaubwürdige Begründung für eine mögliche Verlängerung und ihre Dauer erwarten.“

In dieselbe Richtung lief nach Angaben von Diplomaten auch eine Debatte der EU-Botschafter am Mittwoch. Vorstellbar seien nur drei Gründe, sagte ein Diplomat: die Ratifizierung des bisher abgelehnten Austrittsvertrags in Großbritannien; zusätzliche Zeit für die Vorbereitung auf einen No Deal; oder Zeit für ein Referendum oder eine Neuwahl in Großbritannien.

Eine Hürde ist der Termin für die Europawahl vom 23. bis 26. Mai: Als EU-Mitglied müsste Großbritannien am 2. Juli neu gewählte Abgeordnete zur konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments schicken. Erwogen werden deshalb nach Angaben von Diplomaten zwei Varianten: eine kurze Verlängerung um wenige Wochen – in der Hoffnung auf eine Wende oder Lösung in London. Oder eine längere Verschiebung als eine Art Denkpause.

May bekannte, dass eine Verschiebung „ohne Plan“ die Probleme kaum mindern würde. Niemand kennt eine Alternative zu dem abgelehnten Deal und in wenigen Wochen wäre kein neuer auszuhandeln. Am Ende der verlängerten Austrittsfrist würde doch nur wieder die Drohung eines Chaos-Brexits stehen, sagte May: „Die Optionen sind trostlos.“ Entschieden werden könnte beim EU-Gipfel Ende nächster Woche.

Absage: Der Europäische Gerichtshof hat den Weg aufgezeigt: Die britische Regierung könnte ihren 2017 gestellten Austrittsantrag einseitig zurückziehen. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich. Nötig wäre wohl ein zweites Referendum, um so eine Kehrtwende zu legitimieren. May ist dagegen und warnt vor einem Vertrauensverlust in die Demokratie, nachdem die Briten 2016 mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt hatten.

Die Labour-Opposition ist für eine neue Abstimmung, hat aber keine Mehrheit im Unterhaus. Einige in der EU sehen das trotzdem als Option. Am Mittwoch sprachen sich nicht nur CSU-Vize Weber, sondern auch Europapolitiker von SPD und Grünen dafür aus, das britische Volk noch einmal zu fragen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sieht eine gestiegene Wahrscheinlichkeit, dass der Brexit ausfällt.

Hard Brexit: Aber auch die Gefahr eines Ausscheidens ohne Abkommen ist aus Sicht der EU größer geworden. Sowohl May als auch die EU stemmen sich wegen des befürchteten Chaos für Wirtschaft und Bürger gegen dieses Szenario. Doch wenn Großbritannien und die EU nicht aktiv die Bremse ziehen, endet die britische EU-Mitgliedschaft automatisch am 29. März um 24 Uhr Brüsseler Zeit. Auch im britischen EU-Austrittsgesetz ist dieses Datum als Brexit-Termin festgeschrieben und müsste gestrichen werden. Die Zeit dafür zerrinnt. Am Mittwoch waren es nur noch 16 Tage.

Artikel 8 von 11