Ein Kontrollsystem unter Verdacht

von Redaktion

Nach zwei Abstürzen einer Boeing 737 Max 8 gerät der US-Hersteller unter Druck – Passagiere sind verunsichert

Hannover/Addis Abeba – Zwei Abstürze einer Boeing 737 Max 8 innerhalb von nur fünf Monaten sorgen für Unsicherheit. Nicht nur der US-Flugzeughersteller gerät unter Druck, die Auswirkungen des Unglücks sind global. Es geht um viel Vertrauen. Eine Software gerät immer mehr in Verdacht, bei beiden Abstürzen eine Rolle gespielt zu haben.

Nach dem Absturz der Ethiopian-Airlines-Maschine am Sonntag untersuchen Ermittler das Boeing-Trimmsystem MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System). Es ist möglicherweise dafür verantwortlich, dass der Unglücksjet kurz nach dem Start in der äthiopischen Stadt Addis Abeba verunglückte. 157 Menschen starben. Ein ähnlicher Absturz des gleichen Modells der Gesellschaft Lion Air kostete am 29. Oktober 189 Menschen das Leben.

Beide Flugzeuge stiegen nach dem Start mit unregelmäßiger Flugkurve und -geschwindigkeit, sanken anschließend unkontrolliert ab und schlugen steil auf den Boden auf. Die US-Luftfahrtbehörde FAA erkannte die Ähnlichkeit beider Unfälle an, wollte aber keine verfrühten Schlüsse ziehen. Beim Absturz der Lion-Air-Maschine im Herbst legte die Auswertung des Flugdatenschreibers nahe, dass die Piloten um Kontrolle über das Flugzeug kämpften, während das Kontrollsystem MCAS die Flugzeugnase nach dem Start wieder nach unten drückte.

Boeing hatte das Trimmsystem wegen der neuen Triebwerke eingeführt. Diese verändern aufgrund ihres erhöhten Gewichts die Aerodynamik und den Schwerpunkt des Flugzeuges. Besonders im Steigflug kann der Schub der Triebwerke so stark werden, dass sich die Maschine nicht mehr gerade ausrichten lässt. MCAS soll genau das verhindern. Sensoren, die den Flugwinkel messen, melden dem System, wenn das Flugzeug zu übersteuern droht. Dann drückt ein Stabilisierungs-Mechanismus am Heck der Maschine die Nase wieder nach unten.

Boeing war nach dem Absturz des Lion-Air-Flugzeuges in die Kritik geraten, weil der Konzern Piloten der 737 MAX 8 nicht ausreichend zu MCAS geschult haben soll. Daraufhin hatte Boeing neue Anleitungen verschickt. Laut dem Luftfahrtexperten Andreas Spaeth hätten die Piloten von Ethiopian Airlines demnach sensibilisert sein müssen. „Es ist schon mysteriös, was hier passiert sein könnte“, sagte er der ARD. Nach dem Absturz der Ethiopian-Air-Maschine kündigte Boeing nun ein Software-Update an.

Die US-Luftfahrtbehörde hält die Boeing 737 Max 8 weiter für zuverlässig, erst am Abend korrigierte US-Präsident Donald Trump diesen Kurs und zwang die Maschinen mit sofortiger Wirkung auf den Boden. Viele Airlines und Länder sprachen Startverbote und Luftraumsperren für diesen Typ aus. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verfügte ebenfalls die Luftraumsperrung, voraussichtlich bis 12. Juni.

Fatal ist es für das US-Unternehmen Boeing. Neben drohenden Entschädigungs- und Schadenersatzforderungen der Kunden kann Boeing durch die Flugverbote auch bestellte Maschinen nur verspätet ausliefern. Betroffen ist etwa der Tui-Konzern, der den ersten Jet dieses Typs für die deutsche Tuifly diese Woche aus Seattle nach Hannover fliegen wollte.  ada/dpa/ap

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