So viele Auto-Rückrufe wie noch nie

von Redaktion

3,5 Millionen Fahrzeuge wiesen 2018 Sicherheitsmängel auf – Grüne fordern Offenlegung

Berlin – Wenn während der Fahrt das Gaspedal bricht, Batterieleitungen in Brand geraten oder sich bei einem Unfall der Airbag nicht öffnet, kann das für den Autofahrer verheerende Folgen haben. Deutschlands Autos scheinen mitunter längst nicht so sicher zu sein wie man immer denkt. Denn im vergangenen Jahr hat das Kraftfahrbundesamt (KBA) wegen Sicherheitsmängeln über 3,5 Millionen Fahrzeuge zurückgerufen und damit in die Werkstatt beordert. Ein neuer Negativ-Rekord.

Das geht aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach sind 2017 rund 2,9 Millionen Autos aufgrund von Sicherheitsproblemen gerügt worden – letztes Jahr waren es 600 000 mehr. „2018 wurden sogar mehr Autos zurückgerufen als Neuwagen zugelassen“, erklärte der Fraktionsvize der Grünen, Oliver Krischer. Laut KBA gab es 3,44 Millionen Pkw-Neuanmeldungen. „Das ist eine problematische Entwicklung, die der Branche zu denken geben sollte“, so Krischer.

Die Statistik des Verkehrsministeriums reicht zurück bis ins Jahr 2012: Damals betrafen die KBA-Beanstandungen „nur“ rund 824 000 Fahrzeuge. Innerhalb von sechs Jahren, so die Grünen, habe sich die Anzahl der zurückgerufenen Fahrzeuge um mehr als 400 Prozent auf 3,5 Millionen erhöht. Laut Ministerium waren in dieser Zeitspanne 13,6 Millionen Wagen von Sicherheitsmängeln betroffen. Eine Rückrufaktion, die dann gleich eine ganze Fahrzeugflotte umfasst, wird in der Regel eingeleitet, wenn die KBA-Experten Bauteile wie Lenkung, Bremsanlage, Fahrwerk, Motor, Airbags oder Sicherheitsgurte bemängeln.

Auch ein (unvollständiges) „Sündenregister“ führt das Verkehrsressort in dem Papier auf. So sind 2018 die meisten Fahrzeuge von drei deutschen Autobauern zurückgerufen worden: Von Mercedes-Benz (972 803), VW (462 813) und Audi (362 586). Es folgen Ford (299 905), Opel (119 795), BMW (44 353), Skoda (34 091) und Renault (28 416). Unabhängig davon, heißt es in der Antwort, habe es noch die freiwilligen Rückrufaktionen einiger Hersteller für „Software-Updates“ gegeben. Betroffen davon seien 6,3 Millionen Dieselfahrzeuge gewesen. Eine Folge des Skandals um illegale Abschalteinrichtungen.

Wo liegen die Gründe? Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen gibt zwar Entwarnung, die hohe Zahl der Rückrufe bedeute nicht zwangsläufig, dass die Fahrzeuge unsicherer geworden seien. Aber die Wagen würden immer komplexer. „Je größer die Anzahl der Funktionen ist, umso größer ist die Ausfallwahrscheinlichkeit für das Gesamtsystem“, so Dudenhöffer. Hinzu käme ein hoher Kostendruck bei den Unternehmen. Und: Immer öfter würden die gleichen Teile von globalen Zulieferern eingebaut. Das Beispiel des fehlerhaften Airbags des japanischen Herstellers „Takata“ und der Rückruf von fast 100 Millionen Autos weltweit zeigten die damit verbundenen Risiken.

Nach Ansicht des Grünen Krischer würden neue Modelle oft zu schnell in den Markt eingeführt. Zugleich setze das KBA mehr Mitarbeiter bei der Kontrolle ein. Anders als in den USA gebe die Behörde aber keine Informationen heraus, „ob es Unfälle und Verletzte in Deutschland in Zusammenhang mit fehlerhaften Teilen gab“, sagte Krischer. „Das muss sich ändern. Denn das erhöht den Druck auf die Hersteller, besser zu planen.“ HAGEN STRAUSS

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