Washington – Der Präsident zögerte lange. Erst sperrte Deutschland seinen Luftraum für die Boeing 737 Max, dann die ganze EU. Alle Welt blickte auf die USA, doch Donald Trump schien die Entscheidung über ein Flugverbot der offenkundigen Unglücksmaschinen so lange wie möglich zu verschieben. Erst am Mittwochabend (unserer Zeit) gab er bekannt: Die Boeing-Maschinen des Typs 737 MAX 8 und MAX 9 werden nun auch in den USA vorerst am Boden bleiben.
Die US-Flugaufsicht FAA hatte bis zuletzt erklärt, die Maschinen des US-Konzerns Boeing, ein Verkaufsschlager mit 5012 Bestellungen, seien flugtauglich und dürften sich im US-Luftraum bewegen.
Offenbar ist der politische Druck auf den Präsidenten zu groß geworden. Die Nähe seiner Regierung zu Boeing ist auffällig. US-Transportministerin Elaine Chao saß einst im Aufsichtsrat der Northwest Airlines saß und wurde von Lobbyisten der Fluggesellschaften für den Kabinettsposten vorgeschlagen.
Die US-Luftaufsicht FAA hielt ebenfalls still. Sie muss sich seit Langem den Vorwurf gefallen lassen, zu nahe an der Seite der Airlines und von Boeing zu stehen. Mehrfach kamen die FAA-Direktoren und Manager aus den Reihen großer Fluggesellschaften. Sicherheitsempfehlungen des „National Transportation Safety Board“, das Experten an die Unfallstelle in Äthiopien geschickt hat, werden oft nur schleppend oder gar nicht umgesetzt. Airlines wird gelegentlich die Möglichkeit gegeben, sich bei Problemen selbst zu inspizieren. Und wann immer sich die FAA zu Anordnungen durchringt, wird von der Industrie protestiert.
Noch wichtiger: Bis gestern Abend konnte sich der Boeing-Konzern auf Trump verlassen. Ihn und den Boeing-Vorstandschef Dennis Muilenburg verbindet das, was man in den USA als „Buddy“-System bezeichnet. Man kann gut miteinander und nimmt Rücksicht aufeinander – auch, weil der große Arbeitgeber Boeing (153 000 Beschäftigte) als Schwergewicht im Dow Jones-Index mitbestimmt, ob die für Trump so wichtige Wall Street kränkelt oder nicht. Nach dem zweiten Absturz in nur fünf Monaten hat Muilenburg Berichten zufolge am Dienstag im Weißen Haus angerufen und dem Präsidenten versichert, dass das Fliegen der 737 Max kein Risiko darstelle. Und das, obwohl Boeing zu diesem Zeitpunkt an einer besseren Steuerungs-Software für das Unglücks-Modell arbeitete und obwohl die Besatzungen von mindestens zwei US-Jets 2018 ebenfalls Probleme mit jener Software meldeten.
Hat Muilenburg Trump bei dem Telefonat auch daran erinnert, dass Boeing für die Amtseinführung des Präsidenten seinerzeit eine Million US-Dollar überwiesen hatte? Die beiden Männer scheinen jedenfalls bestens miteinander auszukommen. Man lernte sich kennen, nachdem Trump die Kosten von mehr als vier Milliarden US-Dollar für seinen neuen Regierungsjet „Air Force One“, den Boeing baut, als zu hoch empfand und mit Muilenburg einen neuen „Deal“ aushandelte. Trump war daraufhin voll des Lobes: Dennis sei „ein Freund von mir“, sagt er. Ein „großartiger Kerl“, der gute Arbeit an allen Fronten geleistet habe.
Die einzige versteckte Kritik, die sich Trump jetzt angesichts der 737-Max-Kontroverse leistete, war eine kurze Abhandlung auf Twitter darüber, dass das Fliegen viel zu kompliziert geworden sei und zu sehr von Computern abhänge. Er wolle nicht, dass Albert Einstein sein Pilot sei, lamentierte Trump.