Der weiße Obama

von Redaktion

Der 46-jährige Beto O‘Rourke erklärt seine Kandidatur für die US-Demokraten – und zählt zu den Mitfavoriten

Washington – Das Wort „Hoffnungsträger“ ist in den letzten Wochen mit Blick auf die US-Demokraten häufig benutzt worden. 14 Männer und Frauen haben bisher ihre Kandidatur für die Präsidentschaft 2020 erklärt, gestern ist mit dem 46-jährigen früheren Kongressabgeordneten Beto O’Rourke aus Texas Nummer 15 dazugekommen. Und es dürften noch mehr werden, sollte der frühere Vizepräsident Joe Biden ebenfalls seinen Hut in den Ring werfen.

Biden wäre Umfragen zufolge mit dem Senator Bernie Sanders der chancenreichste Bewerber. Doch dass sich Umfragen auch täuschen können, hat der Überraschungssieg von Donald Trump nachdrücklich gezeigt. Und: Sowohl Biden (76) wie auch Sanders (77) stehen für die „alte Garde“.

Und nun also Beto O’Rourke. Wer ihn einmal live erlebt hat, kann gut nachvollziehen, warum der Bewerber mit dem Latino-Vornamen und mit den irischen Wurzeln im Familienstammbaum von Medien bereits als „weißer Obama“ gefeiert wird. Er ist ein begeisternder Redner, wie sich auch in seiner Heimatstadt El Paso im letzten Monat zeigte. Da trat Donald Trump in der Grenzstadt in einer überfüllten Halle vor seinen konservativen Anhängern auf – während O‘Rourke nur wenige hundert Meter entfernt tausende Fans in seinen Bann zog.

Eine Attraktion, die sich quer durch alle Wählerschichten zu erstrecken scheint: Jugendliche, Frauen, Farbige, Latinos – es ist ein bunter Mix quer durch die US-Demografie, die dem unverbraucht und authentisch wirkenden Politiker zujubelt. Zwar war O’Rourke bei den Midterm-Wahlen im letzten November im Rennen um einen Senatssitz dem texanischen konservativen Urgestein Ted Cruz knapp unterlegen. Doch es gilt als Sensation, dass O‘Rourke bis zuletzt diese Wahl überhaupt offen hielt und keine Mühe hatte, enorme Summen an Spenden einzusammeln – so wie es Barack Obama 2008 und 2012 mit seiner legendären „Graswurzel-Bewegung“ gelang.

O‘Rourke steht für eine neue Generation in der US-Politik, die auch die sozialen Medien für ihre Zwecke und vor allem für die Wähler-Bindung nutzt. Auch seine Bewerbung gab er auf Twitter bekannt – und sprach von einer „Bewegung für alle“, die er schaffen will. Regelmäßig kann man in Familienvideos zuschauen, wie der Bewerber mit Frau und Kindern mexikanisches Fast Food zu sich nimmt oder bei einem Ausflug streunende Hunde ins Tierheim bringt.

Diese Einblicke in das Leben eines ganz „normalen“ Politikers treiben die „Betomania“ an, die im letzten Jahr entfacht wurde. Der Kandidat genießt bei seinen Fans Kultstatus und hat neben der Aufmerksamkeit der Medien einen hohen Wiedererkennungswert. Und das Magazin „Vanity Fair“ veröffentlichte dieser Tage eine Titelgeschichte mit Bildern der legendären Star-Fotografin Annie Leibovitz. F. DIEDERICHS

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