München – Am Freitagmorgen hat Florian Post Gewissheit. Endlich. Schon zwei Tage vorher hatte der Münchner Abgeordnete von einem Journalisten erfahren, dass er seinen Posten im Wirtschaftsausschuss des Bundestags verlieren wird. Der Grund: Weil der Dortmunder Abgeordnete Marco Bülow die Partei verlassen hat, wandert der komplizierten Arithmetik zufolge ein Sitz an die FDP. Doch es dauert bis Freitag, ehe Post dies offiziell durch den Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider mitgeteilt wird. Da ist die Nachricht schon in der Welt.
Was auf den ersten Blick wie eine bedauerliche Formalie klingt, birgt auf den zweiten eine Menge Sprengkraft. Denn Post gilt als ausgewiesener Kritiker von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles – und als ebenso ausgewiesener Freund von Ex-Parteichef Sigmar Gabriel. Aus beidem hat Post nie einen Hehl gemacht. „Das ist eine klare Disziplinierungsmaßnahme. Die Botschaft lautet: Wer nicht spurt, wird bestraft“, sagt er unserer Zeitung. „Man kann mangelnden politischen Rückhalt in der SPD als Vorsitzende nicht durch Drohgebärden ersetzen. Dieser Umgang ist ja eher ein Zeichen der Schwäche als der Stärke.“
Konkreter Auslöser für die Entscheidung der Fraktionsspitze dürfte die Rüstungspolitik sein. Bei der Frage, welche Abgeordneten man in die Ausschüsse schicke, würden „immer auch Anwesenheit und Abweichungen vom Abstimmungsverhalten berücksichtigt“, zitiert der „Spiegel“ Geschäftsführer Schneider. Mit der Anwesenheit gebe es keine Probleme, betont Post. Es gehe konkret um die Abstimmung über Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien. Post hatte offen für einen unbefristeten Stopp gekämpft. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme seien nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi „nicht gegeben“. Beifall bekommt der eher konservative Post dafür auch aus dem linken SPD-Lager – beispielsweise vom Landtagsabgeordneten Florian von Brunn. Post sagt: „Ich habe meine Haltung und sozialdemokratische Grundüberzeugung vertreten.“ Jetzt werde er dafür bestraft.
Ist es so einfach? Post ist in den eigenen Reihen nicht unumstritten. Er hat einflussreiche Verbündete – etwa den ehemaligen Münchner Oberbürgermeister Christian Ude –, aber auch viele Kritiker. „Wo Florian Post auftritt, polarisiert er“, sagt einer aus der Landesgruppe in Berlin. Das Verhältnis zu Landeschefin Natascha Kohnen gilt als nachhaltig gestört.
Trotzdem: In diesem Fall bekommt Post Unterstützung von allen Seiten. Sowohl Landesverband als auch Landesgruppe setzten sich bei Nahles für ihren Abgeordneten ein – sogar offizielle Briefe wurden geschrieben. Post habe Nahles zwar „mehrfach frontal angegriffen“, sagt der bayerische Generalsekretär Uli Grötsch. Aber: „Ich halte es für den besseren Weg, etwaige unterschiedliche Auffassungen in einem Gespräch auszuräumen, als ihn so vor vollendete Tatsachen zu stellen.“ Ein abweichendes Abstimmungsverhalten, das ordentlich bei der Fraktionsführung angemeldet werde, sei legitim. „Wir geben als Abgeordnete unsere eigene Meinung nicht am Eingang zum Reichstag ab“, sagt Grötsch.
Der Fall dürfte noch ein Weilchen in der Fraktion nachwirken. „Die Landesgruppe heißt das nicht gut“, stellt ihr Vorsitzender Martin Burkert klar. Auch andere äußern sich kritisch über Nahles’ Vorgehen. „Natürlich sollte man sich nicht ständig auf Kosten der eigenen Fraktion profilieren“, zitiert der „Spiegel“ den nordrhein-westfälischen Abgeordneten Axel Schäfer. „Aber Ordnungsmaßnahmen sollten wir tunlichst vermeiden. Da schimmert bei Andrea Nahles, wie übrigens auch bei Olaf Scholz, leider immer noch die autoritäre Prägung aus Juso-Zeiten durch.“ MIKE SCHIER