Der nächste Ärger für Merkel

von Redaktion

Die Junge Union wählt einen neuen Merkel- Quälgeist an die Spitze. Der Sieg des Niedersachsen Kuban kommt für viele überraschend. Für die Delegierten aus Bayern nicht – die haben ihn geplant.

VON JÖRG BLANK, RUPPERT MAYR UND CHR. DEUTSCHLÄNDER

Berlin – Selbst die Bayern sind aufgestanden, es werden weiß-blaue Rautenfähnchen geschwenkt: Minutenlang applaudiert der Unions-Nachwuchs Annegret Kramp-Karrenbauer stehend. Die 320 JU-Delegierten in Berlin verabschieden die CDU-Vorsitzende nach einer Stunde Rede und Frage-Antwort-Runde begeistert, wenn auch nicht euphorisch. Wenn Angela Merkel in den vergangenen Jahren zu Gast war, bekam sie zwar auch immer Applaus bekommen – höflich, aber zurückhaltend. Und die Bayern sind oft sitzen geblieben.

Die jungen Männer und Frauen aus CDU und CSU zeigen beim JU-Deutschlandtag im Jahr eins nach CDU-Chefin Merkel vor allem eins: Wie erleichtert sie sind, dass der quälende Streit zwischen den schwarzen Schwestern über die Migrationspolitik der Kanzlerin beendet scheint. Es wird so viel gejohlt und geklatscht wie zuletzt selten. Vor allem dann ist die Begeisterung groß, wenn markige und konservative Töne gegen die Grünen, in der Migrations- oder der Klimapolitik etwa gegen „den Abmahnverein“ Umwelthilfe gerufen werden. Wenn Kramp-Karrenbauer will, kann sie vor allem ein Signal vom Nachwuchs mitnehmen: Dass die JU einen konservativeren Kurs von der Parteispitze verlangt.

Trotzdem gibt es deutliche Zwischentöne bei der JU. Der scheidende Vorsitzende Paul Ziemiak wird zwar für seine Abschiedsrede mit tosendem Applaus bedacht. Die Delegierten zollen ihm damit auch Dank, dass er den Unionsnachwuchs trotz des erbitterten Streits in den Mutterparteien zusammengehalten hat. Bei der Nachfolge läuft es aber offenbar anders als von Ziemiak geplant.

In der Kampfabstimmung siegt der 31 Jahre alte Niedersachse Tilman Kuban gegen den 34-jährigen Stefan Gruhner aus Thüringen. „Ziemiak hätte es sich anders gewünscht“, heißt es hinter den Kulissen, das vermute man auch bei AKK und Merkel. Gruhner galt vorab bei Journalisten als Favorit, weil sich die Mehrheit der Landesvorstände offen für ihn ausgesprochen hatte. Hinter den Kulissen kursierten aber seit Wochenmitte überraschend präzise Schätzungen, wie viele Delegierte sich nicht an die Empfehlung ihrer Verbände halten. Vor allem Delegierte aus NRW schwenkten um. In pessimistischen Szenarien reichte Kuban schon an die 190 Stimmen heran. Bei der Wahl siegt er dann hoch und klar: 200 der 320 Delegierten stimmen für Kuban. Entscheidend dafür ist die komplette Rückendeckung aus Bayern mit rund 60 Delegierten, angeführt von Landeschef Hans Reichhart.

Kuban gibt sich bei seinen Auftritten am Wochenende schroff. Der Niedersachse dreht den Ton in der Gender-Debatte noch ein paar Umdrehungen lauter als Kramp-Karrenbauer im Karneval. Er redet sich über „Schultoiletten des dritten bis 312. Geschlechts“ heiß. Die Delegierten johlen, als er ruft, in Deutschland sei nicht willkommen, wer sich nicht an die Gesetze halten wolle. Hier gelte nicht die Scharia.

Auch Juso-Chef Kevin Kühnert bekommt sein Fett weg. Der beklatsche in Berlin jene, die Hausbesitzer enteigneten: „Kevin, mach Dein Studium fertig, dann kannst Du Dir ‘ne eigene Wohnung leisten.“ Der Spruch ist genau kalkuliert und hat es in sich – sein Studium nicht beendet zu haben, wird auch Ziemiak vorgeworfen. In der JU tragen ihm manche nach, wie eilig er sich von AKK zum Generalsekretär der CDU berufen ließ. CSU-Chef Markus Söder macht in seiner launigen Videobotschaft dazu eine knappe Andeutung.

In einem Interview am Sonntag sendet Kuban zudem einen ersten Gruß an die Kanzlerin. Er spricht sich für einen Wechsel von Friedrich Merz (CDU) ins Kabinett aus. „Das muss mit ihm besprochen werden“, fordert Kuban und kritisiert ausdrücklich Kramp-Karrenbauer für spöttische Äußerungen, das Kabinett sei voll („ein Fehler“). Darüber hinaus betont Kuban, eine Regierung zusammen mit den Grünen sei keine Wunschkonstellation der JU, falls die Große Koalition platzen sollte.

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