„Ein diplomatischer Totalausfall“

von Redaktion

Die Nato wird 70, Anfang April wollen die Außenminister des Bündnisses den Geburtstag in Washington groß feiern. Im Vorfeld gibt es wieder Ärger um die Verteidigungsausgaben. Im Mittelpunkt steht erneut der US-Botschafter.

VON ANDRES HOENIG UND MICHAEL FISCHER

Berlin – Kurz vor dem 70. Geburtstag der Nato droht der Streit zwischen Deutschland und den USA über die Verteidigungsausgaben wieder zu eskalieren. Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, nannte den Haushaltsplan von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für die nächsten fünf Jahre inakzeptabel und sorgte damit in den Reihen der Koalition für massiven Unmut. Mehrere Politiker von Union und SPD verbaten sich eine Einmischung in interne Angelegenheiten. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider sprach sogar von einer „plumpen Provokation“ eines „Flegels“.

Hintergrund sind die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2020 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2023, die heute vom Kabinett beschlossen werden soll. Zwar sind darin für nächstes Jahr rund zwei Milliarden Euro zusätzlich fürs Militär vorgesehen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte aber deutlich mehr gefordert. Die Nato-Quote soll nach dem Plan von Scholz im Jahr 2020 auf 1,37 Prozent steigen, bis 2023 aber wieder auf 1,25 Prozent sinken. Man „fahre auf Sicht“, hieß es dazu im Finanzministerium. Die Bundesregierung hatte eigentlich als Ziel ausgegeben, 2024 dann 1,5 Prozent für Verteidigung auszugeben.

Grenell ging unmittelbar nach Bekanntwerden der Zahlen auf die Barrikaden. Deutschland entferne sich mit der Finanzplanung vom Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, sagte er. „Die Nato-Mitglieder haben sich klar dazu bekannt, sich bis 2024 auf zwei Prozent zuzubewegen und nicht davon weg. Dass die Bundesregierung es auch nur in Erwägung zieht, ihre ohnehin schon inakzeptablen Beiträge zur militärischen Einsatzbereitschaft auch noch zu reduzieren, ist ein beunruhigendes Signal Deutschlands an seine 28 Nato-Verbündeten.“

Die Aussagen sorgten am Dienstag für große Aufregung in der Koalition. „Grenell ist ein diplomatischer Totalausfall“, sagte Schneider, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Der Botschafter pflege seit Längerem einen zwischen engen Verbündeten nicht akzeptablen Umgangston und Stil. „Das alles erinnert eher an das Gehabe eines Flegels.“ Grenell wolle offenbar nicht anerkennen, dass Deutschland im Rahmen seiner Bündnisverpflichtungen, etwa in Afghanistan, einen großen Beitrag leiste. „Mit seinen wiederholten plumpen Provokationen schadet er den transatlantischen Beziehungen.“

Ähnlich verärgert äußerte sich Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki: „Wir sind ein souveränes Land und dürfen nicht den Eindruck zulassen, dass die Botschafter anderer Länder hier die Innenpolitik bestimmen“, sagte der FDP-Politiker. Gegenüber der AFP forderte Kubicki sogar die Ausweisung des Botschafters: Heiko Mass solle „Richard Grenell unverzüglich zur Persona non grata erklären“. Andere FDP-Politiker distanzierten sich jedoch von dieser Aussage.

Der deutsch-amerikanische Streit über die Verteidigungsausgaben flammt ausgerechnet zwei Wochen vor dem 70. Gründungsjubiläum der Nato auf. Am 3. und 4. April treffen sich die Außenminister des Bündnisses in Washington, um Geburtstag zu feiern. Donald Trump fordert seit zwei Jahren vehement eine deutliche Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben.

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