Alle gegen Scholz

von Redaktion

Es wird ungemütlich für Olaf Scholz. Der Finanzminister steht in der Kritik. In Berlin wirbt er für seinen Haushalt, die schwarze Null – und für sich.

VON STEFAN VETTER

Berlin – Die Wirtschaft heizt dem Bundesfinanzminister am Mittwoch nochmal kräftig ein. „Vom Bundeshaushalt 2020 geht die erhoffte Signalwirkung für den Standort Deutschland leider nicht aus“, wird der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, schon in den Frühnachrichten zitiert. Eigentlich ein vernichtendes Urteil für Olaf Scholz. Ein paar Stunden später sitzt der Sozialdemokrat vor der versammelten Hauptstadtpresse und liefert ein Kontrastprogramm zu Schweitzers Kritik. Scholz spricht von „solide geplanten Finanzen“, von „Rekordinvestitionen“ und von „Verlässlichkeit“.

Der Kassenwart gibt den prinzipienfesten Fels in der Brandung, an dem alle Vorwürfe abprallen. Dabei muss er in diesen Tagen gleich an mehreren Fronten kämpfen. Nicht nur Wirtschaftslobbyisten sind sauer. Mit seiner Haushaltsplanung hat sich der 60-jährige SPD-Politiker auch beim Koalitionspartner, der Union, viele Feinde gemacht. Der CSU-Mann Peter Ramsauer sieht in dem Zahlenwerk sogar einen „Sargnagel“ für die Große Koalition (siehe Kasten). Und selbst aus der SPD gibt es Kontra. Ausgerechnet Peter Tschentscher, Nachfolger von Scholz als Hamburger Bürgermeister, stellt sich auf Länderseite an die Spitze der Bewegung im Kampf um die Beibehaltung der Bundeszuschüsse für die Integrationskosten bei Flüchtlingen. Die will Scholz kräftig kürzen (siehe unten). Wenn das passiere, polterte Tschentscher kürzlich, „bestellt sich die Bundesregierung einen Aufstand der Bürgermeister und Landräte“.

Natürlich kann es ein Bundesfinanzminister nicht allen recht machen. Angesichts der weniger sprudelnden Steuereinnahmen muss Scholz allerdings mehr Leute verprellen, als ihm womöglich selbst lieb ist. Gerd Müller zum Beispiel, Kabinettskollege von der CSU, zuständig für Entwicklungshilfe. Müller gibt eine Protokollnotiz ab, als die Ministerriege am Mittwoch die Finanzplanung im Kabinett beschließt. Darin bekräftigt der Christsoziale die Kritik an der Ausstattung seines Etats. Statt mehr soll es ab 2021 sogar weniger Geld geben, was internationalen Verpflichtungen Deutschlands zuwider läuft. Bei Scholz hört sich das freilich ganz anders an. Vor den Medienvertretern schwärmt er sogar über Milliardenzuwächse für die Entwicklungshilfe. Der Trick: Bestimmte Haushaltsansätze, die es angeblich bei anderen Ressorts dafür gibt, werden kurzerhand mit eingerechnet. Im Jonglieren mit Zahlen sind sie groß im Finanzministerium. Auf bohrende Nachfragen räumt Scholz dann ein, dass Müller „nicht genug“ bekomme.

Auch in der SPD werden sie das nicht gern hören. Schließlich wollen sich die Genossen nicht nur sozial profilieren, sondern als Friedenspartei. Und wenn schon (ebenfalls wegen internationaler Verpflichtungen) der Wehretat steigen muss, dann der Entwicklungsetat erst recht. Da ist es kein Trost, dass Scholz auf den Verteidigungshaushalt deutlich weniger draufpackt als geplant.

Kann so einer Kanzlerkandidat der SPD werden? Schon im Januar hatte sich Scholz dafür ins Spiel gebracht. Und auch jetzt scheint er sehr auf seine Partei zu achten, was ihm seitens der CDU freilich den Vorwurf der Begünstigung eintrug. So mahnt er die Kabinettskollegen zwar alle zur „Haushaltsdisziplin“. Für seinen Parteifreund, Arbeitsminister Hubertus Heil, lässt Scholz den Sparappell aber nicht gelten. Heil wird im Mai den Entwurf für eine Grundrente vorlegen – ein Herzensanliegen der SPD. Die Kosten werden mit etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt. Für Scholz offenbar kein Problem. „Eine machbare Grundrente kann niemand verweigern.“

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