Brüssel – Die Brexit-Gespräche beim EU-Gipfel in Brüssel haben sich deutlich schwieriger gestaltet als erwartet. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs erwogen am Donnerstagabend, Großbritannien eine Verschiebung des EU-Austritts um mehrere Wochen zu erlauben. Unklar war zunächst aber, wie lange genau und unter welchen Bedingungen. „Wir sollten bis zum letzten Moment alles daransetzen, einen geordneten Brexit hinzubekommen“, hatte die Kanzlerin zuvor gesagt. Allerdings schließt Merkel nicht mehr aus, dass die Bemühungen scheitern.
Der britische EU-Austritt ist für den 29. März angekündigt. Doch das britische Parlament hat den Austrittsvertrag, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte, bereits zweimal abgelehnt. May hatte deshalb eine Verschiebung bis zum 30. Juni beantragt.
Zu viel für die EU-Staaten: Selbst der offizielle Vorschlag von EU-Ratschef Donald Tusk, einen Aufschub bis zum 22. Mai anzubieten, ging nicht durch. Vielmehr wurden alle Daten und Szenarien durchdekliniert. Frankreich schlug den 7. Mai vor. Statt auf einer Pressekonferenz Ergebnisse zu verkünden, machten die Teilnehmer nur eine kurze Pause – eine Entscheidung gab es bis zum späten Abend nicht.
Mehrere Gipfelteilnehmer hatte im Vorfeld erklärt, dass sie für eine Verlängerung offen seien – unter der Voraussetzung, dass das britische Parlament den Vertrag doch noch annimmt. Für kommenden Montag setzte das Parlament in London eine weitere Debatte an. Ob und wann zum dritten Mal abgestimmt wird, blieb aber offen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron machte deutlich, dass dies für ihn der letzte Versuch ist. Ein erneutes Nein des britischen Parlaments hätte automatisch einen ungeregelten Brexit zur Folge, sagte Macron. Merkel äußerte sich weniger rigoros. Sie hoffe noch auf eine Billigung im Unterhaus. Sollte es wieder nicht zustimmen, gäbe es wohl einen Krisengipfel kurz vor dem Brexit-Tag nächsten Freitag.
Der Brexit-Vertrag regelt auf knapp 600 Seiten fast alle rechtlichen Fragen der Trennung, darunter Aufenthaltsrechte der 3,5 Millionen EU-Bürger in Großbritannien, die britischen Schlusszahlungen an die EU und die Frage, wie die Grenze zwischen Nordirland und Irland offen bleiben kann. Fällt das alles weg, herrscht rechtliche Unsicherheit. Zudem müssten Zölle erhoben und die Grenzen kontrolliert werden.
May bekräftigte in Brüssel, sie hoffe immer noch auf ein geregeltes Ausscheiden aus der EU. Doch wollte auch sie auf mehrfache Nachfrage einen No-Deal-Brexit nicht ausschließen. „Was jetzt zählt, ist, dass wir erkennen, dass der Brexit die Entscheidung des britischen Volks ist“, sagte May. Sie appellierte vor allem an ihr eigenes Parlament, sich endlich zu entscheiden. dpa