Rom/Peking – In Rom soll für Xi Jinping auch mal Entspannung drin sein. China steckt in einem Handelskrieg mit den USA, die anstrengende Jahrestagung des Volkskongresses ist gerade erst vorbei. In Italiens Hauptstadt wird der kommunistische Staatschef nicht nur den Ausblick auf den Petersdom genießen, sondern wohl auch einen großen Erfolg einfahren.
Bei seinem Besuch sucht Xi den Schulterschluss: Italien will sich als erstes Mitglied der sieben Industriemächte (G7), als erster großer EU-Staat, Chinas Initiative für eine Neue Seidenstraße anschließen. Bei den EU-Partnern und den USA lässt das die Alarmglocken schrillen.
Brüssel hat gerade angefangen, sein Verhältnis zu China zu überdenken. Bisher galt das Land vor allem als potenter Handelspartner. Doch Pekings Streben nach politischem Einfluss ist auch der EU nicht verborgen geblieben. Vor einigen Tagen erst ließ die Europäische Kommission verlauten, man betrachte China als Systemrivalen, das versuche, sein autoritäres Staatsmodell zu exportieren. So deutlich war das bis dahin nicht zu hören.
Die italienische Regierung scheinen weder die europäischen Bedenken noch die Warnungen aus den USA zu stören. Sie hofft auf Milliardeninvestitionen.
Bei dem auch „Belt and Road“ (BRI) genannten Seidenstraßen-Plan geht es Peking um milliardenschwere Investitionen in Häfen, Straßen, Bahnstrecken, Telekom-Netze oder Flughäfen. Geld soll in Wirtschafts- und Handelskorridore zwischen China und Europa, Afrika, bis nach Lateinamerika und innerhalb Asiens fließen.
Rom kommt das gerade recht. Die Wirtschaft lahmt, die Infrastruktur ist marode, Investitionen werden dringend gebraucht. So will die Regierung am Samstag eine von Peking geforderte Absichtserklärung (MoU) unterzeichnen, um sich hinter die geostrategischen Pläne Chinas zu stellen. Italien hofft, dass China mehr Waren „Made in Italy“ kauft und in schwierigen Zeiten in italienische Staatsanleihen investiert. „Nichts davon steht in dem Text der Vereinbarung, es ist ganz klar ein Glücksspiel“, sagt Nicola Casarini von der Denkfabrik IAI.
Berlin, Brüssel und Washington haben große Bedenken. Diplomaten sehen eine Unterordnung unter Chinas Version einer neuen Weltordnung. China wolle den Rückzug der Supermacht USA nutzen, um in das politische Vakuum vorzustoßen. Überhaupt fehle es den Projekten an Transparenz und fairen Wettbewerbsbedingungen.
Gebetsmühlenartig verteidigen Roms Regierungsvertreter ihre Linie. Italien wolle sich nicht von historischen Partnern abwenden, versicherte Vize-Premier Luigi Di Maio. Stattdessen bekomme man die Chance, das Import-Export-Verhältnis mit China neu auszutarieren. Der andere Vize-Premier, Matteo Salvini, lässt indes keine Gelegenheit aus, um zu betonen, dass Vorsicht geboten sei. Italien wolle keine chinesische Kolonie werden, sagte er.
Gut 100 Länder haben die Absichtserklärung schon unterschrieben, darunter osteuropäische Staaten. Deutschland, Frankreich und Großbritannien verweigern eine Unterschrift. Denn hinter blumiger diplomatischer Sprache stecke so mancher „Fallstrick“, warnen EU-Diplomaten. Obacht sei vor den Gefahren einer Schuldenfalle geboten, wie es sich in Sri Lanka oder Pakistan offenbart. Auch wird davor gewarnt, dass Peking heimlich seinen politischen Einfluss ausbaut und Abhängigkeiten wachsen.
Die Vereinbarung verpflichtet etwa dazu, China bei den Vereinten Nationen zu unterstützen. Also auch im UN-Menschenrechtsrat, wo das Land gerade wieder wegen der Internierung muslimischer Uiguren in Umerziehungslagern am Pranger steht. Ungarn und Griechenland, die sich dem Seidenstraßen-Projekt schon angeschlossen haben, sind seither kaum mehr zu Kritik an Peking zu bewegen.
Derzeit sieht aber nichts nach einer Kehrtwende in Rom aus. Experte Casarini sagt, würde Italien unterschreiben, wäre das für Peking ein „unbezahlbarer PR-Erfolg“.