JU-Chef beklagt „Gleichschaltung“ der CDU

von Redaktion

Tilman Kuban provoziert mit einer Äußerung – Kritik kommt auch aus der eigenen Partei

München – Es gehörte bisher nicht zu den Kernkompetenzen der Jungen Union (JU), unbequem für die eigene Partei zu sein. Aber bei der Union weht ja frischer Wind, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warb zuletzt sogar für ein bisschen mehr Anarchie. Sie wünsche sich eine JU, „die Dampf macht, die uns den Atem nimmt und uns am Laufen hält“, sagte sie. Der neue JU-Chef Tilman Kuban hat das wohl ein bisschen zu wörtlich genommen.

Gerade mal eine Woche im Amt, hat Kuban eine „Gleichschaltung“ der CDU unter Kanzlerin Angela Merkel beklagt und damit reichlich Ärger auch in den eigenen Reihen provoziert. Zwar ruderte der 31-Jährige am Samstag zurück und erklärte seine Wortwahl für „unpassend“. Er stehe aber dazu, dass andere Meinungen nicht tabuisiert werden dürften.

Der Jurist hatte der „Welt“ gesagt, er vermisse kontroverse Diskussionen in seiner Partei. „In den letzten Jahren haben sich viele in der CDU nicht mehr wohlgefühlt, weil wir bei unserer Ausrichtung eine Gleichschaltung erlebt haben. Wir brauchen wieder drei Flügel und Persönlichkeiten, die ihre Meinung sagen.“

Warum der Begriff so problematisch ist: Die Nazis hatten, nachdem sie an die Macht kamen, Parteien, Verbände, Vereine und die Medien auf ihre politischen Ziele hin ausgerichtet. In diesem Zusammenhang spricht man von „Gleichschaltung“. Die zwei entscheidenden Gesetze wurden am 31. März und am 7. April 1933 verabschiedet.

Für die Wortwahl hagelte es Kritik, auch innerhalb der CDU. „Gleichschaltung? Nein.“, twitterte die Vize-CDU-Chefin und Agrarministerin Julia Klöckner. Die gebe es nur „in Systemen, in denen wir als Demokraten zum Glück nicht leben“. Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann nannte die Äußerung „nicht akzeptabel.“ Und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Kindler erklärte, Kuban klingt „eins zu eins wie Gauland und Höcke“.

Kuban sagte, dass die Parteibasis gerade in der Flüchtlingskrise eine andere Politik gewollt habe. „2015 hat eine schweigende Mehrheit in der CDU den Kurs der Führung nicht mitgetragen.“ Merkel hätte viel früher ein Stoppsignal setzen müssen. Auch andere Merkel-Entscheidungen kritisierte er, etwa die Aussetzung der Wehrpflicht und den Atomausstieg.

Schon beim Deutschlandtag der JU hatte Kuban mit markigen Worten irritiert. Im Streit um die umstrittenen Internet-Upload-Filter sagte er, er wolle „bis zur letzten Patrone für die Meinungsfreiheit“ kämpfen. Das ist zumindest mehrdeutig. „Bis zur letzten Patrone“ ist der Titel eines Westerns aus den 50er-Jahren. Aber gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nutzte auch die Wehrmacht diese Wendung, indem sie aufrief, eine Stadt „bis zur letzten Patrone“ zu verteidigen.

Nun also „Gleichschaltung“. Selbst der Chef der besonders konservativen Werte-Union, Alexander Mitsch, nannte die Wortwahl „unglücklich“, gab Kuban aber in der Sache recht. „Die teilweise stereotypen Reaktionen auf die Aussagen von Tilman Kuban zeigen, dass er den Nerv getroffen hat.“  dpa/mmä

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