Es sind nur Gerüchte, aber im Brexit-Chaos ist alles möglich. Möglicherweise sind also Theresa Mays Tage als britische Premierministerin gezählt – ganz überraschend käme das nicht. Denn May, die sich im Kampf um den Brexit beispiellos aufgerieben hat, ist längst zum Sündenbock für die EU-Austritts-Hängepartie geworden. Und es stimmt ja: Ihre Unfähigkeit, zuzuhören und in London Mehrheiten für den Deal zu organisieren, ist Teil des Problems. Aber man muss sich auch ernsthaft fragen, welche Chancen sie eigentlich gegen ein Parlament hatte, das 1000 Tage nach dem Brexit-Entscheid noch immer nicht weiß, was es eigentlich will.
Das Geraune über einen Wechsel an der Regierungsspitze ist ein Symptom der Hilflosigkeit. Mays Sturz brächte nichts, er wäre reine Selbstbeschäftigung. Denn an den Eckdaten – Austritt bis 22. Mai, sonst Teilnahme an der Europawahl – wird sich nichts mehr ändern. Weiter kann die EU den Briten nicht entgegenkommen, auch wenn in London spekuliert wurde, ein Übergangspremier könnte mit Brüssel einen neuen Brexit-Kurs ausloten. Große Teile der Bevölkerung haben das verstanden, die Demonstrationen vor dem Parlament belegen das genauso eindrucksvoll wie die Petition für einen Verbleib in der EU mit mehr als fünf Millionen Unterstützern. Die Botschaft ist klar: Die Briten wollen die Kontrolle zurück. Ein zweites Referendum wäre der ehrlichste Weg.
Marcus.Maeckler@ovb.net