München – Der Spaltpilz, im Frühstadium eher unauffällig, war neulich im Landtag mühelos zu erkennen. Die AfD verließ verärgert eine Gedenkveranstaltung im Plenarsaal. Ein gutes Drittel der Fraktion blieb allerdings sitzen. Die Szene gilt als Beleg, wie heterogen, in Sachfragen uneins, die AfD-Fraktion in Bayern ist. Nun kommt es zur ersten Trennung: Der Abgeordnete Raimund Swoboda – der am Eklat nicht teilnahm – verlässt Partei und Fraktion.
Per Brief und in einem Telefonat teilte der 68-jährige Mittelfranke das intern mit. Die Zerrüttung hat eine wochenlange Vorgeschichte: Swoboda war mit mehreren Ambitionen aufgelaufen. Als Landtagsvizepräsident fiel er bei den anderen Parteien durch; sie hatten Äußerungen gefunden, wonach er Politiker als „Schurken“ beschimpft, ihnen „die Auflösung unseres Volkes“ vorgeworfen hatte. „Dem ist die AfD noch zu liberal“, wurde gespottet. AfD-intern scheiterte der ehemalige Polizeioberrat dann mit einer Kandidatur für den prestigeträchtigen Innenausschuss.
Das Tischtuch dürfte zerschnitten sein. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner teilt schriftlich mit, der Abgeordnete habe wohl „persönliche Gründe“. Sie erwarte, „dass er nun auch sein Mandat zurückgibt und einem Nachrücker Platz macht“. Dazu macht Swoboda aber keine Anstalten, er kann auch nicht gezwungen werden. Er wird wohl als erster fraktionsloser Abgeordneter dieser Legislaturperiode einen Platz in der letzten Reihe einnehmen. Die AfD hat dann 21 statt 22 Abgeordnete, ihre Fraktionszuschüsse sinken monatlich um 7250 Euro.
Bei CSU und Freien Wählern wird er keine Heimat finden. Politisch fehlten da Welten, heißt es in der CSU. Man werde ihn „fair und anständig behandeln, nicht mehr, nicht weniger“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Tobias Reiß. Eine Aufnahme „liegt völlig außerhalb meiner Vorstellungskraft“, sagt auch FW-Kollege Fabian Mehring. Er prognostiziert, dieser Austritt werde „nicht der einzige bleiben – die AfD zersetzt sich.“
Tatsächlich gibt es in der AfD nach Angaben von Abgeordneten wachsende Differenzen zwischen (national-) konservativ Gesinnten und der weit rechts stehenden Ebner-Steiner; die Niederbayerin vereint über die Hälfte der Fraktion hinter sich. Viele Abgeordnete, die ihr zugerechnet werden, haben zuletzt im Landtag mit vom Blatt abgelesenen Reden immer wieder provoziert und Aufmerksamkeit erzeugt. Bisher wurden diese Konflikte ein Stück weit durch die Doppelspitze überdeckt: Neben Ebner-Steiner führt der moderatere Bio-Landwirt Markus Plenk die Fraktion. Weitere Austritte sind nun denkbar. So geschehen im Bundestag und in einigen Landesparlamenten, darunter Baden-Württemberg, Sachsen und NRW.
Und in Bayern? Der Rosenheimer Franz Bergmüller fiel früh als gemäßigter Gegenpol zu Ebner-Steiner auf und wurde nach der Wahl unsanft in die letzte Reihe verfrachtet. Zwar sagt er nun, ein Austritt sei für ihn kein Thema. Die Partei müsse aber das Zeichen verstehen, das Swoboda habe setzen wollen. „Wir müssen über unseren grundsätzlichen Kurs diskutieren“, sagt Bergmüller. „Wenn die Protagonisten des bürgerlich-liberalen Flügels gehen, ist die Perspektive der AfD nicht 15, sondern fünf Prozent.“
Swoboda war offenbar vor allem unglücklich darüber, dass ihm der Platz im Innenausschuss verwehrt blieb. Er sei „ein verdienter Polizist“, sagt Bergmüller. „Aber die Fraktion wusste das nicht zu schätzen.“ Er habe noch versucht, Swoboda abzuhalten. „Aber vielleicht hat er mit seinem Schritt ja einige in der Fraktion wachgerüttelt.“
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER, MARCUS MÄCKLER