EU stoppt Marineeinsatz vor Libyen

von Redaktion

Zehntausende Migranten sind im Mittelmeer von europäischen Marineschiffen vor dem Ertrinken bewahrt worden. Doch bis heute gibt es keine Einigung, wie die Menschen verteilt werden könnten. Italien stellt sich quer – mit Folgen.

VON ANSGAR HAASE

Brüssel – Die EU stoppt ihren Marineeinsatz vor der libyschen Küste und kann damit auch keine Migranten mehr aus Seenot retten. Die am Mittwoch offiziell bestätigte Entscheidung sieht vor, bei der Anti-Schleuser-Operation Sophia vorerst nur noch Luftaufklärung zu betreiben und libysche Küstenschützer auszubilden. Grund für das Aus der Marineoperation ist, dass sich die Mitgliedstaaten nicht auf ein System zur Verteilung von aus Seenot geretteten Migranten einigen konnten. Die Regierung in Rom hatte dies gefordert, weil Gerettete nach den aktuellen Einsatzregeln ausschließlich nach Italien gebracht werden.

Seit Beginn der europäischen Marinepräsenz vor der Küste des nordafrikanischen Bürgerkriegslandes Libyen im Jahr 2015 kamen so bereits knapp 50 000 Migranten nach Italien – mehr als 22 500 von ihnen nach der Rettung durch die deutsche Marine.

Für die Bundeswehr wird das Aus des EU-Marineeinsatzes allerdings vorerst keine direkten Konsequenzen haben. Da Deutschland bereits seit Februar kein Schiff mehr für die Operation Sophia stelle, müsse auch keines abgezogen werden, erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Eine Anfrage, sich mit einem Aufklärungsflugzeug an der geplanten Ausweitung der Luftüberwachung von Schleuserbanden zu beteiligen, liege bislang nicht vor. Unverändert bleibe die deutsche Beteiligung an der Einsatzführung im Hauptquartier in Rom.

EU-Militärs in Brüssel verwiesen darauf, dass Schiffe schon in der Vergangenheit nur zu einem sehr geringen Teil an der Aufklärung der Aktivitäten von Schleuserbanden beteiligt gewesen seien. Wirklich beeinträchtigt würden damit wohl nur Operationsteile, die nichts mit der Bekämpfung der Schleuserkriminalität zu tun hätten: die Bekämpfung des Waffenschmuggels und illegalen Ölhandels.

Aus der Opposition im Bundestag kam Kritik. „Die europäischen Regierungen beenden die Solidarität mit Menschen in Seenot und beugen sich dem Willen des italienischen Innenministers und Populisten Salvini“, kommentierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Die Lage für die Geflüchteten in Libyen sei verheerend. In Lagern seien Folter, Ausbeutung, Menschenhandel und sexuelle Gewalt an der Tagesordnung.

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) befürchtet, dass „angesichts der Handlungsunfähigkeit der Europäer“ nun vermutlich wieder verstärkt die Besatzungen von Handelsschiffen in Seenot geratene Menschen retten müssen. „Seeleute sind für solche Einsätze nicht ausgebildet und Handelsschiffe denkbar ungeeignet, Flüchtlinge aufzunehmen“, sagte Präsidiumsmitglied Ralf Nagel. Erst gestern wurde bekannt, dass Migranten italienischen und maltesischen Angaben zufolge vor Libyen ein Handelsschiff unter ihre Kontrolle gebracht haben und es in Richtung Norden steuern. „Es sind keine Schiffbrüchigen, es sind Piraten“, sagte Italiens Innenminister Matteo Salvini. Das Handelsschiff „Elhiblu“ habe im Mittelmeer eine Gruppe Migranten vor der libyschen Küste aufgenommen, dann aber etwa sechs Seemeilen vor der Hauptstadt Tripolis plötzlich den Kurs Richtung Nord geändert. Nach internationalem Recht sind Schiffsbesatzungen zur Seenotrettung verpflichtet.

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