Risse am rechten Rand

von Redaktion

Offene Feldschlacht in Bayerns AfD-Fraktion: Ein Abgeordneter tritt aus, ein weiterer soll jetzt rausgeworfen werden. Ein halbes Jahr nach dem Einzug in den Landtag scheint sich der radikal rechts stehende Flügel durchzusetzen.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND MIKE SCHIER

München – Am Anfang sah das nach Geschlossenheit aus. Im Block, 22 Abgeordnete, marschierte die AfD-Fraktion in den Plenarsaal. Auf Abendempfängen sah man die Fraktion stets Schulter an Schulter an den Stehtischen. Die kühle Ablehnung durch den Rest des Landtags schien die Neuen zusammenzuschweißen. Der Eindruck der ersten Wochen trügt: Intern streitet sich die AfD härter als jede andere Fraktion.

Nach verbalen Scharmützeln und Kampfabstimmungen in internen Sitzungen gerät der Streit jetzt an die Öffentlichkeit. Letzte Woche erklärte der fränkische Abgeordnete Raimund Swoboda seinen Austritt. Am Samstag kündigte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner den Rauswurf des Oberbayern Franz Bergmüller an. Er habe sich mit Swobodas „abwegigen Vorwürfen solidarisiert und der AfD ein Abdriften nach rechts unterstellt“. Das zeige „mangelnde Loyalität“.

Eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Fraktion gegen Bergmüller peilt Ebner-Steiner an. In ungefähr diesem Anteil gilt die Fraktion als gespalten. Eine Mehrheit steht, so glauben Beobachter, hinter Ebner-Steiners Kurs. Die Niederbayerin, mit dem Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke befreundet, vertritt einen scharfen Kurs und ein schneidiges bis ruppiges Auftreten im Parlament. Zuletzt hagelte es drei Rügen gegen AfD-Redner. Von „Wegmarken des Faschismus“ sprach einer, ein anderer von der „Stasi- und Schnüffelkanzlerin“ Merkel. Unklar ist, wie spontan solche Sätze kommen: Provokative Reden liest die AfD stets vom Blatt ab. Geschrieben in Bayern oder in Thüringen?

Mehrere moderate Abgeordnete halten diese Wortwahl für überzogen. Den Vorsichtigeren wird Bergmüller zugeordnet, der im Landtag als etwas geschwätzig, aber nicht rechtsradikal gilt. Auch Co-Fraktionschef Markus Plenk, Biobauer aus Traunstein, tritt moderat auf, ebenso der Vorsitzende des Bildungsausschusses, Markus Bayerbach, und der Münchner Abgeordnete Uli Henkel.

In der Mehrheit sind die Schrilleren. Sie loten die Grenzen der Provokationen im Parlament aus. So legte der Abgeordnete Ralph Müller, gerügt für den Stasi-Satz, einen sechsseitigen Brandbrief an Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) nach. „Politische Zensur unter Verletzung des Grundgesetzes“ beklagt er, die einzige Oppositionspartei AfD werde diffamiert, unterdrückt, das Präsidium und Aigner seien „willfährige Handlanger des Merkel-Systems“.

Ein Nebenplatz des Richtungsstreits ist der Ärger um die Verteilung von Ausschusssitzen, Büros und um Mitarbeiter. Per Kampfabstimmung wurde unlängst der baden-württembergische Ex-Landesvorsitzende als Geschäftsführer durchgesetzt. Zudem macht ein (offiziell dementiertes) Zitat die Runde, man werde nun „Säuberungen“ in der Fraktion starten.

Zum Showdown kommt es wohl in der Fraktionssitzung am Dienstag, 11 Uhr, Saal S 401. Möglich, dass Ebner-Steiner genau dank des Austritts Swobodas die Zwei-Drittel-Mehrheit gegen Bergmüller zusammenbringt. Ihr Co-Chef Plenk spricht sich offen für Bergmüller aus. Er unterstütze das nicht, teilte er unserer Zeitung mit. Auch der Rosenheimer Andreas Winhart sagt: „Der Antrag auf Ausschluss ist fragwürdig und bringt die Fraktion keinen Millimeter weiter, im Gegenteil.“ Damit ist sogar ein Bruch der Fraktion denkbar. Folgen hat das auch für die Finanzen: Jeder Abgang kostet die AfD-Fraktion bis zur nächsten Wahl 2023 Zuschüsse von 450 000 Euro.

Bergmüller selbst reagiert mit einer bissigen Erklärung auf den drohenden Ausschluss. „Verzweiflung ist ein schlechter Ratgeber“, sagt er über Ebner-Steiner. Die Parteibasis werfe ihr „mangelnde Führungsqualität, Überforderung, wiederholte kaufmännische Verfehlungen“ sowie den „Verlust jeglichen Bodenkontaktes“ vor.

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