Stimmungstest für Erdogan

von Redaktion

Es war mehr als nur eine Kommunalwahl für Präsident Erdogan: Es war ein Test für seine Regierung. Und die Stimmung im Land ist schlecht. Womöglich verliert Erdogans Partei nun deshalb ausgerechnet die Hauptstadt Ankara.

Ankara – Bei der türkischen Kommunalwahl wird es für die islamisch-konservative Regierungspartei von Präsident Recep Tayyip Erdogan in wichtigen Städten knapp. Nach Auszählung von mehr als 50 Prozent aller Stimmen meldeten regierungsnahe Medien ausgerechnet für die Hauptstadt Ankara am Sonntagabend einen knappen Vorsprung des Oppositionskandidaten der Mitte-Links-Partei CHP. Der Verlust der Hauptstadt, die seit mehr als 20 Jahren von islamisch-konservativen Bürgermeistern regiert wird, wäre ein herber Schlag für den machtgewohnten Präsidenten und gäbe Kritikern Aufwind. Landesweit blieb die AKP nach Teilergebnissen aber deutlich die stärkste Partei.

Rund 57 Millionen Türken waren am Sonntag aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Die Abstimmung verlief weitestgehend ruhig. Zwei Tote gab es im ostanatolischen Malatya, wo zwei Gruppen in einem Wahllokal aneinandergerieten. Ein Mann habe eine Pistole gezogen und zwei andere getötet, berichtete die Nachrichtenagentur DHA. Der Chef der Oppositionspartei Saadet, Temel Karamollaoglu, sagte, die Opfer seien Wahlbeobachter seiner Partei. Außerdem gab es Berichte über Prügeleien und Messerstechereien. Im Innenministerium zählten man 310 „Vorfälle“.

Neben dem engen Rennen in Ankara beobachtete das Land mit Spannung besonders die Wahl in der Wirtschaftsmetropole Istanbul. Dort lag die AKP der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge mit ihrem prominenten Kandidaten, Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim, zunächst mit knapp 50 Prozent vorne. Der Oppositionskandidat der CHP, Ekrem Imamoglu, widersprach der Darstellung allerdings. In der Zählung der CHP liege er bei 53 Prozent und Yildirim nur bei 44 Prozent, sagte er in einer Pressekonferenz, die von kaum einem Sender übertragen wurde. Wähler hatten es schwer, an ausgewogene Informationen zu kommen.

Erdogan erklärte die AKP zum Wahlsieger: „Die Ergebnisse zeigen, dass wir aus diesen Wahlen wieder mit großem Vorsprung als erste Partei hervorgegangen sind“, sagte er am späten Sonntagabend. Die Wahl ist ein wichtiger Stimmungstest für Erdogan und seine islamisch-konservative Regierung. Die Türkei steckt seit Ende 2018 in der Rezession. In Erdogans Äußerungen schwang ungewohnte Selbstkritik mit, als er sagte: „Wir müssen akzeptieren, dass wir da, wo wir gewonnen haben, die Herzen unseres Volkes erobert haben, und da, wo wir verloren haben, nicht erfolgreich genug waren.“ dpa

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