Die AfD-Fraktion verschiebt den Bruch

von Redaktion

Bergmüller wird vorerst nicht ausgeschlossen – Das Misstrauen in der Führung bleibt

München – Es ist eng vor dem Sitzungssaal S401, aber für seinen Auftritt am Morgen hat sich Franz Bergmüller einen symbolischen Platz ausgesucht. Neben dem „Flucht- und Rettungsplan“ des Parlaments tritt der AfD-Abgeordnete die Flucht nach vorn an. „Ich möchte eine Entscheidung haben“, sagt er. „Klär’ mas. Heute.“ Das Hin und Her um seinen drohenden Rauswurf, vor allem die Verlautbarungen seiner Gegnerin Katrin Ebner-Steiner, nennt er kernig einen „Aprilscherz“.

Nein, kein Friede bei der AfD. In einer Krisensitzung beraten die 21 verbliebenen Abgeordneten über den Umgang mit dem streitbaren Geist aus dem Landkreis Rosenheim. Im Hintergrund geht es immer auch um die Flügel in der Partei: rechts gegen ganz rechts. Fraktionschefin Ebner-Steiner hatte zunächst den Rauswurf auf die Tagesordnung genommen, dann abgesetzt. Weil die Zweidrittelmehrheit wackelte, sagt Bergmüller. Weil es den Rat aus Berlin gab, vor der Europawahl den Streit herunterzudimmen, sagen Eingeweihte. Weil man konstruktive Gespräche über ein neues Miteinander aufnehme, sagt Ebner-Steiner.

In der nichtöffentlichen Sitzung wird energisch debattiert. Bergmüller wehrt sich mehrfach lautstark. „Unverschämt“ sei Ebner-Steiner vorgegangen, das sei „keine Art“. Eine „miese Tour“, ruft einer so, dass es auf dem Hof des Landtags noch zu vernehmen ist. Als Bergmüller eine Abstimmung über sich erzwingen will, ziehen seine Gegner den Ausschlussantrag formal zurück. Als ihr Sprecher gibt sich in der Sitzung Christoph Maier zu erkennen, der Allgäuer ist parlamentarischer Geschäftsführer und im Alltag die rechte Hand Ebner-Steiners.

Die Fraktion fasst schließlich mit Mehrheit eine Erklärung, die auf den vorangegangenen Rückzug des Abgeordneten Raimund Swoboda und seine Kritik gemünzt ist. Kern: Es gebe keinen Kurswechsel, keinen Rechtsruck.

Rund um die Sitzung zeigt sich einmal mehr der Spalt in der Fraktion, der bis an die Spitze reicht. Vor laufenden Kameras widerspricht Co-Fraktionschef Markus Plenk, der für die moderatere Gruppe steht, der Kollegin Ebner-Steiner. Nein, es habe nie die erforderliche Zweidrittelmehrheit für einen Ausschluss Bergmüllers gegeben. Und ihre Formulierung, der Rauswurf sei nur „vorerst“ vom Tisch, nennt er „nicht ganz passend“. Ruhig und höflich spricht er. Doch das Misstrauen in der Fraktion ist mit Händen zu greifen: Plenk nimmt seinen Computer sogar mit aufs Klo, um ihn nicht unbeaufsichtigt im Fraktionssaal zu lassen.

Die internen Debatten gehen weiter. Kurzfristig heute: Die AfD plant eine Sondersitzung, um über ihr zuletzt dreimal gerügtes Auftreten im Parlament zu beraten, organisatorisch und stilistisch. Für Herbst stehen zudem Zwischenwahlen der Fraktionsführung an. Bergmüller lässt offen, ob er da antritt.

Wie wackelig der Burgfrieden ist, zeigt sich schon fünf Minuten nach der Sitzung, wieder vor dem Flucht- und Rettungsplan. Ebner-Steiner sagt erneut, künftige Ausschlussanträge seien „völlig offen“. Ansonsten betont sie aber die gemeinsamen politischen Ziele. „Wir müssen uns nicht lieben, aber können konstruktiv zusammenarbeiten.“ Vielleicht trinke man auch mal ein Bier miteinander. Bergmüller steht in derselben Minute zwei Meter entfernt, bejaht, dass Ebner-Steiner nun geschwächt sei. Und sagt: „Bier? Privat? Naa! Nicht mehr“ mit einer, die „so einen Zinnober macht“,

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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