„Die sind zu allem fähig“

von Redaktion

Bayerns AfD-Spitze zerbricht. In einem spektakulären Schritt tritt Fraktionschef Markus Plenk aus. Er wirft seiner Partei vor, sie handele „faschistoid“ und sei „zu allem fähig“. Er sucht die Nähe zur CSU.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Im Hofbräuhaus kommt es zu fortgeschrittener Stunde schon mal zu seltsamen Verbrüderungen. Die Szene beim Maibock-Anstich am späten Mittwochabend war aber selbst für Wirtshaus-Maßstäbe arg viel. Die AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner legte den Arm um ihren Kollegen Markus Plenk, neigte ihren Kopf an seinen und knipste ein Selfie. Wer weiß, welch harte Parteifeinde gerade die beiden sind, rieb sich die Augen.

Noch falscher kann kein Foto sein. Als Ebner-Steiner abdrückt, weiß Plenk längst, dass es das letzte gemeinsame Bild sein wird. Am Freitagnachmittag lässt der Co-Fraktionschef eine Bombe platzen: Er kehrt der AfD den Rücken, macht der Partei öffentlich schwerste Vorwürfe. „Ich habe es satt, die bürgerliche Fassade einer im Kern fremdenfeindlichen und extremistischen Partei zu sein“, sagt er dem „Spiegel“.

Plenk hat seine Aktion seit Wochen geplant, berichten Beteiligte. Eingeweiht war fast niemand. Im Landtag begann er sein Büro zu räumen. Seine Mitarbeiter verschwanden aus dem Blickfeld der AfD, der 7er-BMW auch. Der 49-Jährige hielt sich in den Medien zurück, antwortete auf Anfragen höflich, aber stets knapp. Jetzt sieht er den Zeitpunkt für den größtmöglichen Eklat. Einen „völligen Krampf“ betreibe seine Fraktion inhaltlich im Landtag, sagt er. „Mir reicht’s.“ Über seine Kollegen: „Manche von denen sind zu allem fähig.“

Der Austritt des Chefs ist der Tiefpunkt für die grob gebeutelte Fraktion. Die letzten zehn Tage im Zeitraffer: Der fränkische Abgeordnete Raimund Swoboda tritt unter Protest aus; der Rauswurf des Oberbayern Franz Bergmüller scheitert in letzter Minute. Zwei Mitarbeiter mit rechtsradikalen Verbindungen fliegen auf, die Fraktion trennt sich von ihnen. In mehreren Krisensitzungen versucht die AfD, die internen Differenzen zu lindern – vergeblich.

Wahrscheinlich werden Plenk mehrere Abgeordnete folgen. „Es haben so viele die Schnauze voll“, sagt er dem „Spiegel“. Vorerst halten sich die aber bedeckt. Bergmüller gilt als Kandidat. Ebenso der eher liberale Bildungspolitiker Markus Bayerbach; er habe Plenks Schritt „geahnt“, sagt er – aber „ich bleibe“. Auch der Münchner Uli Henkel wird genannt, der hatte aber zuletzt auf Einheit in der einst 22-köpfigen Fraktion gedrängt. „Ich verstehe die Welt nicht mehr“, sagt Henkel am Freitag bitter.

Für verbliebene Kandidaten wie für Wähler heißt das: Die Rest-AfD steht noch weiter rechts. Ebner-Steiner wird dem rechtsnationalen „Flügel“ der AfD zugerechnet. „Reisende soll man nicht aufhalten“, verbreitet sie spöttisch in einer Stellungnahme. In der Fraktion beginnen weitere eilige Krisengespräche.

Plenk verzichtet mit seinem Abgang auf den Dienstwagen und grob geschätzt 50 000 Euro im Jahr, in dieser Höhe wird die Zulage für Fraktionschefs geschätzt. Das Landtagsmandat behält er. Schlimmer noch für die AfD: Er sucht sich eine neue Heimat. In der CSU, so sagt der Traunsteiner Biobauer vielsagend, „wäre ich kein Rechtsaußen“. Noch am Freitagabend kündigte er an, einen Mitgliedsantrag zu stellen.

Bei der CSU wird eine schnelle Aufnahme indes abgelehnt. Die Parteispitze wurde von Plenks Schritt überrascht, diskrete Gespräche vorab gab es offenbar nicht. Würde die CSU Plenk aufnehmen, wäre sie schnell bundesweit mit Vorwürfen konfrontiert, sich für radikal Rechte zu öffnen – wenngleich der Traunsteiner ohne extreme Sprüche Karriere machte.

Die CSU-Spitze reagiert also mit verblüfftem Schweigen. Parteichef Markus Söder hatte am Aschermittwoch die AfD-Wähler noch aufgerufen, zurückzukehren. Jetzt will er wohl die Europawahl abwarten, ehe Entscheidungen im Landtag fallen. Auch die Freien Wähler sind verdutzt. Plenk aufnehmen? Man müsse so etwas klären, sagt Parteichef Hubert Aiwanger. Und spöttelt über die Austritte: „Ich komm’ gar nicht mehr mit, wer da alles locker wird.“

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