„Mir egal, ob Söder sich rasiert“

von Redaktion

München – Wer ökologisch lebt, braucht gute Nerven. Robert Habeck, 49, kommt mit dem Zug statt mit dem Auto, 30 Minuten Verspätung sind da so gut wie eingeplant. Der Grünen-Chef, aktuell beliebtester deutscher Politiker, ist ein höflicher Mensch. Nach drei Entschuldigungen geht’s los mit dem Interview.

Herr Habeck, Sie sind sicher nach München gekommen, um Markus Söder zur Rettung der Bienen zu gratulieren.

(lacht) Ja, genau so ist es.

Im Ernst: Die Grünen haben sich für das Bienen-Begehren ausgerechnet Bayern ausgesucht. Um der CSU eins auszuwischen?

Nein, das alles haben ja nicht die Grünen gemacht, sondern die Menschen in Bayern. Ich habe die langen Schlangen vor den Unterschriften-Stellen gesehen – beeindruckend. Wenn wir dabei helfen konnten, ist das schön.

Derzeit gibt Söder den obersten Klimaschützer. Nehmen Sie ihm das ab?

Mag schon sein, dass der Umweltschutz bei ihm nicht aus innerster Überzeugung passiert. Aber ich sehe das pragmatisch: Hauptsache, er passiert. Das Artenschutzgesetz ist ein guter erster Schritt, der durch die 1,7 Millionen Unterschriften in Bayern ermöglicht wurde.

Söder folgt Ihnen auch optisch – zuletzt beim politischen Aschermittwoch mit Drei-Tage-Bart. Fühlen Sie sich als Trendsetter?

Nein, und um ehrlich zu sein, ist es mir auch egal. Herr Söder soll sich rasieren oder nicht rasieren, wie er mag.

Sie sind der beliebteste deutsche Politiker. Haben Sie Angst, tief zu fallen?

Mir sind die Mechanismen der Mediengesellschaft sehr bewusst. Dass wir hohen Zuspruch erfahren, wird ja nur möglich, weil wir das im Team machen. Und weil wir uns mit dem auseinandersetzen, was gesellschaftlich relevant ist. Deshalb würde ich lieber darüber reden und weniger über Personen.

Dafür sind Sie selbst in den Talkshows dieses Landes aber ziemlich präsent.

Richtig, das gehört dazu. Politik wird ja von Menschen gemacht und nicht von Robotern. Die Fridays for Future zum Beispiel gäbe es ohne Greta Thunberg nicht.

Fanden Sie es eigentlich gut, dass Katrin Göring-Eckardt Greta mit einer Prophetin verglichen hat?

Die beste Achtung erweist man ihr, indem man gute Klimaschutzpolitik macht. Ich glaube, auch das falsche Wohlwollen der Kanzlerin ist jemandem wie Greta suspekt.

Müssen Sie als Partei-Chef auch mal auf die Bremse treten, damit die Basis im Grünen-Hype nicht abhebt?

Vor der letzten Bundestagswahl war es irgendwann sogar mal richtig knapp in den Umfragen. Das haben wir nicht vergessen. Überheblichkeit oder Arroganz sind deshalb fehl am Platz. Was wir seitdem, glaube ich, ganz gut geschafft haben, ist, weniger über uns selbst und stattdessen mehr über die großen Probleme unserer Zeit nachzudenken. Und vor allem, daraus eine gemeinsame Geschichte zu machen.

Wir würden mal schnell ein paar aktuelle Themen abhaken…

Dann los.

Wie viel müssen wir für Verteidigung ausgeben?

So viel, dass die Bundeswehr gut ausgestattet ihre Aufgaben erledigen kann, auch im Rahmen von Uno, Nato und EU. Dafür braucht es auch europäische Synergien.

Aber Sie verstehen, dass die Nato-Partner auf die Einhaltung deutscher Versprechen pochen?

Nur ein kleiner Teil der Ausrüstung der Bundeswehr fliegt, rollt und taucht. Gerade daran sehen wir doch, dass immer mehr Geld im Verteidigungshaushalt nicht zu verlässlichen operativen Fähigkeiten führt. Genau auf die müssen sich unsere Nato-Partner aber verlassen können.

Sollen straffällige Migranten schneller abgeschoben werden?

Erst mal müssen auf eine Straftat zügig Urteil und Strafvollzug folgen und zwar hier in Deutschland. Erst dann sollten straffällige Asylbewerber, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, bei der Abschiebung vorgezogen werden.

Auch nach Afghanistan?

Nein, es gibt Grenzen. Afghanistan ist nicht sicher.

Horst Seehofer will Tippgebern, die vor Abschiebungen warnen, Strafen androhen. Gut so?

Das ist sicher das letzte, was wir brauchen. Am besten, man bewegt Menschen, die nicht bleiben dürfen, zur freiwilligen Rückkehr.

Ist Ihnen Gender-Sprache wichtig?

Für mich ist wichtig, dass Sprache nicht ausgrenzt und verletzt.

Manche rechnen mit dem großen Knall in Berlin nach der Europawahl…

Ich höre das jetzt schon, seit ich Bundesvorsitzender bin: „Hast du die Plakate schon gedruckt? Morgen ist Bundestagswahl!“ Ist bis jetzt nicht passiert.

Hält die GroKo?

Zu 90 Prozent.

Bei Ihren Umfragewerten müssten Sie auf Neuwahlen pochen…

Im Gegenteil. Ich bin froh, dass wir in einem System leben, in dem wir nicht ständig Neuwahlen haben. Ich habe auch kein parteiliches Interesse an so einem Szenario. Wir Grüne sollten langsam an unseren Aufgaben wachsen und erst mal bei der Europawahl und den Wahlen im Osten gut abschneiden.

Entfernt sich die CDU unter AKK von Schwarz-Grün?

Wir alle haben gelernt, dass die alten Lager sich auflösen. Klar ist: Frau Kramp-Karrenbauer und auch Christian Lindner versuchen gerade, ihr Milieu zu bedienen. Wir versuchen das Gegenteil: Politik in breiten Bündnissen, entlang von Werten und mit klaren Zielen zu machen.

Zusammengefasst von M. Mäckler

Artikel 3 von 11