Als sich die Briten 2016 mit knapper Mehrheit entschieden, der EU den Rücken zu kehren, jubelte die AfD: Das „Mutterland der Demokratie“ habe sich „gegen die Brüsseler Bevormundung“ entschieden. Beatrix von Storch gestand gar: „Ich habe geweint vor Freude.“ Zwei Jahre später sind die Freudentränen der Anti-Europäer angesichts des unwürdigen Spektakels in London weitgehend getrocknet. Heute warnt sogar Alexander Gauland höchstpersönlich vor einem deutschen EU-Austritt – obwohl manche Anhänger weiter vom „Dexit“ träumen.
Europa bietet sechs Wochen vor der Parlamentswahl ein sehr heterogenes Bild. In Italien oder Frankreich schwimmen die Rechtsradikalen auf einer Euphoriewelle, in Deutschland – und gerade auch in Bayern – präsentiert sich die AfD als zerstrittener Haufen. Zumindest in Westdeutschland befindet sich die Partei im Sinkflug. Trotzdem: EU-weit dürften die Rechten im Vergleich zur letzten Europawahl klar stärker abschneiden.
Verstehen muss man das freilich nicht: Nationalisten, die internationale Bündnisse eingehen, sind eigentlich ein Widerspruch in sich. Ihre Zusammenarbeit beschränkt sich auf die Ablehnung des bestehenden Systems. Ab da kollidieren die Interessen fundamental. Europa hatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgiebig Zeit, dieses Modell zu erproben. Sie endete am 8. Mai 1945 nach tränenreichen Jahren. Es waren keine Freudentränen.
Mike.Schier@ovb.net